Tagung am Germanistischen Institut zu 100 Jahren Hörspiel

Das Hörspiel sei in der Forschung lange unterschätzt worden. Es galt als Zerstreuungsmedium, mit dem man sich nicht wissenschaftlich beschäftigen müsse. "Dabei gab es gerade in der Frühzeit eine sehr anspruchsvolle theoretische Reflexion und von Beginn an eine große Genrevielfalt", betont Sebastian Bernhardt. Die ersten Jahre des Hörspiels stellen die Forschung vor eine besondere Herausforderung, denn sie wurden live gesendet - es gab schlicht noch keine Aufzeichnungsmedien. Daher ist die Quellenlage eines der Schwerpunktthemen der Konferenz, neben der Theorie und Etablierung des Formats.

Wie wird ein Text eingesprochen, wie muss sich die Sprache an das Medium anpassen? Welche Geräusche und Effekte werden verwendet und wie werden sie erzeugt? Das audiomediale Format wirft viele Fragen auf. "Nicht nur Schrifttext produziert Zeichen", erläutert Sebastian Bernhardt, "es gibt auch akustische Zeichen, etwa Grillenzirpen für die Nacht." Britta Herrmann unterstreicht: "Hören ist genauso eine Kulturtechnik wie Lesen. Das Unterscheiden von Fakt und Fiktion lässt sich auch anhand von Geräuschen trainieren." Gerade in der Didaktik glaubt Sebastian Bernhardt an einen Bedarf. "In alten Hörspielen sind Frauenstimmen oft sehr hoch und süßlich, Männer klingen eher hart und militärisch. Dieser Effekt wirkt teilweise heute noch nach." Inhaltlich zeigten sich konservative Tendenzen in nach wie vor sehr populären Kinderhörspielen wie "Bibi und Tina" und "TKKG", die unterschwellig konservative Frauenbilder und klassistische wie rassistische Stereotype fortschreiben. "Gerade Lehramtsstudierenden wollen wir vermitteln, solche Inhalte nicht unkritisch zu konsumieren", betont Sebastian Bernhardt.

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen