
Was brauchen Kommunen und Regionen, um den Sektor Mobilität nachhaltig zu entwickeln? Am Beispiel der dynamischen, trinationalen Metropolregion Oberrhein haben das KIT mit seinem Deutsch-Französischen Institut für Umweltforschung (DFIU) und seinem Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), die Straßburger École d’architecture (ENSAS), das Laboratoire image, ville, environnement (LIVE-UNISTRA) der Universität Straßburg, das Centre national de la recherche scientifique (CNRS), die Universität Haute-Alsace, die Professur für Fernerkundung und Landschaftsinformationssysteme (FeLis) der Universität Freiburg, die Universität Koblenz-Landau mit dem Landauer Institut für Umweltwissenschaften sowie die Stadt Lörrach diese Frage, gemeinsam mit weiteren Einrichtungen, nun beantwortet.
Im Verbundprojekt ,,SuMo-Rhine - Förderung der nachhaltigen Mobilität in der Region Oberrhein" entwickelten sie unter anderem das datengetriebene Kommunale Informationssystem für Nachhaltige Mobilität (KINaMo). Unter 61 Gesichtspunkten (Indikatoren) erfasst und bewertet KINaMo kommunale Mobilitätsangebote. Zugleich zeigt es auf, wie die Angebote nachhaltiger - das heißt sicherer, wirtschaftlicher, umweltfreundlicher und bedarfsgerechter - gemacht werden können.
Mit Unterstützung des Online-Geodatendienstes HERE, der hochauflösende, dreidimensionale Karten bietet, gelang es, Kommunen und öffentlichkeit die erforderlichen empirischen Daten - etwa zu Fahrplänen, Verkehrsinfrastrukturen, Lärmund Schadstoffbelastungen oder Unfallstatistiken - erstmals stetig, vergleichbar und automatisiert zur Verfügung zu stellen.
Neben der Entwicklung von KINaMo haben die Forschenden empirische Analysen durchgeführt. Diese geben Aufschluss über politische Agenden und Herausforderungen in der Oberrheinregion. Die Analysen zeigen, dass verkehrspolitische Maßnahmen auf kommunaler Ebene die Verlagerung der Verkehrsnachfrage hin zu umweltfreundlicheren Verkehrsmitteln fokussieren. Verkehrsvermeidung spielt dagegen nur eine untergeordnete Rolle. Das Projekt hat zudem die Verkehrsmittelwahl beim Arbeitsweg, die Gründe für diese Wahl sowie, situationsbedingt, die verkehrsbezogene Wahrnehmung der Coronakrise untersucht. Die Daten ermöglichten den Projekt-Partnern einen Vergleich zwischen Deutschland, Frankreich und der Schweiz, den drei Ländern in der Oberrheinregion.
,,Unsere Ergebnisse zeigen, dass das Ziel einer nachhaltigen Mobilität im Oberrheingebiet nur erreicht werden kann, wenn den Menschen über eine geeignete Infrastruktur attraktive Angebote für den Umstieg vom Auto auf alternative Verkehrsmittel zur Verfügung stehen.", erläutert Oliver Frör, Leiter des Teilprojekts des Partners in Landau. Der Umweltwissenschaftler zieht das Fazit: ,,Die Bereitschaft umzusteigen ist vorhanden, meist mangelt es aber an konkurrenzfähigen Alternativen im öffentlichen Nahverkehr oder Möglichkeiten für aktive Mobilität wie Fahrradfahren." Für den grenzüberschreitenden Verkehr gelte dies in ganz besonderem Maße.
Lokale und grenzüberschreitende Anwendungen
Im zweiten zentralen Handlungsfeld des Projekts wurde das neu entwickelte Indikatorensystem in realen Zusammenhängen erprobt und optimiert. Ein Schauplatz war dabei das südbadische Lörrach, welches durch seine Tallage vor den Toren Basels vor besonderen Mobilitätsherausforderungen steht. Bei der Entwicklung von KINaMo brachten städtische Praktikerinnen und Praktiker die kommunale Perspektive von Beginn an ein.
Am Beispiel der Stadt Straßburg wurden hingegen Stadtentwicklungsprojekte evaluiert - mithilfe eines Modells auf Grundlage des Indikatorensystems. Für den Gemeindeverband Straßburg-Eurometropole entwickelten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zwei unterschiedliche, nachhaltige Mobilitätsszenarien, um den Wert des Indikatorensystems für die Beurteilung von Zukunftsentwürfen zu testen. Im Teilprojekt ,,SuMo Atlas" entstand, ebenfalls auf Grundlage des Indikatorensystems, eine Kartierung, die den aktuellen Mobilitätszustand am Oberrhein aufzeigt.
Als ein prägnantes Projekt grenzüberschreitender Mobilität wurde schließlich eine 2017 in Betrieb genommene Straßenbahnlinie analysiert, die das schweizerische Basel und die rund fünf Kilometer entfernte französische Gemeinde St. Louis verbindet. ,,In der Oberrheinregion ist grenzüberschreitende Mobilität kein seltenes Phänomen und darf keine Barriere für nachhaltige Mobilitätskonzepte sein", stellt Nora Baumgartner (DFIU), wissenschaftliche Koordinatorin des Projekts, fest. ,,Gerade in Grenzregionen sollten Synergien gehoben, Potenziale genutzt und gemeinsames Lernen forciert werden, um auf eine Minderung der Umweltwirkungen hinzuwirken." (jha)