
Für die Studie haben die Arbeitsgruppen von Thomas Speck, Leiter der Plant Biomechanics Group und Direktor des Botanischen Gartens der Universität Freiburg, und JanG. Korvink, Leiter des Instituts für Mikrostrukturtechnik am KIT, einen neuartigen Versuchsaufbau entwickelt. Die Biologin Linnea Hesse von der Universität Freiburg und der Medizinphysiker Dr. Jochen Leipold von der Klinik für Radiologie – Medizinphysik des Universitätsklinikums Freiburg bildeten zunächst mithilfe eines Magnetresonanztomographen (MRT) das Innere von Stamm und Ast eines Drachenbaums im unbelasteten Zustand ab. Anschließend belasteten sie den Ast, indem sie ihn mittels eines mechanischen, von außerhalb des MRT gesteuerten Arms verbogen, und bildeten die inneren Strukturen der Pflanze erneut ab. Aus beiden Bildersätzen erstellten die Wissenschaftler dreidimensionale Computermodelle. Anhand dieser konnten sie vergleichen, wie sich das Gewebe, das eine Pflanze stabilisiert, jeweils verhält und wie es sich bei Belastung verschiebt: einerseits die Leitbündel, die Stoffe und Flüssigkeiten innerhalb von Pflanzen transportieren, und andererseits die Faserkappen, die diese Leitbündel umgeben und festigen. Dabei betrachteten die Wissenschaftler sowohl die gesamte Ast-Stamm-Anbindung als auch einzelne Leitbündel, um Veränderungen vom unbelasteten zum belasteten Zustand möglichst genau zu ergründen. Je nach ihrer Lage in der Verzweigung werden die Bündel und die Kappen teilweise längs gedehnt und können so Zuglasten aufnehmen oder auch quer gegen das umliegende Gewebe gedrückt, um Druckkräfte abzudämpfen.
Auf dieser Basis ist es nun möglich, die wissenschaftlichen Erkenntnisse in technische Faserverbundverzweigungen zu übertragen – mit dem Ziel, sowohl leichte als auch stabile Werkstoffe mithilfe des natürlichen Vorbilds noch weiter zu verbessern.
Originalveröffentlichung:
Hesse, L., Masselter, T., Leupold, J., Spengler, N., Speck, T., Korvink, J.G.: Magnetic resonance imaging reveals functional anatomy and biomechanics of a living dragon tree. Sci. Rep. 6, 32685; 10.1038/srep32685 (2016).
Bildunterschrift:
Die dreidimensionale Abbildung der äußeren Form (links) sowie des gesamten Leitbündelsystems (rechts) der Ast-Stamm-Anbindung im Drachenbaum zeigt, welche Teile sich im Inneren der Pflanze im belasteten Zustand (gelb) im Vergleich zum unbelasteten (rot) verschieben.