
Manchmal singt er sogar in der Vorlesung. Wenn es darum geht, seinen Studierenden die Begeisterung an der Älteren Deutschen Literatur zu vermitteln, ist Professor Klaus Kipf einfallsreich. Seit April forscht und lehrt er ,,Germanistische Mediävistik" am Institut für Germanistische und Allgemeine Literaturwissenschaft der RWTH.
Überhaupt spielt die Musik eine große Rolle in seinem Leben, Renaissanceund Barock-Musik liebt er, und als er seine heutige Frau Christiane beim Tanzkurs in der evangelischen Studierendengemeinde in Erlangen kennenlernte, war es zu Walzerklängen. Kreuz und quer zogen die beiden dann durch Bayern, 20 Jahre blieb Kipf an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, ehe nun der Ruf nach Aachen folgte. Für den gebürtigen Ostwestfalen auch eine Art Heimkehr - zumindest nach Nordrhein-Westfalen. Seine Familie - neben seiner Frau, die inzwischen eine Pfarrei im Münchner Umland Übernommen hat, sind das noch drei Kinder - bleibt vorerst im Alpenvorland, Kipf pendelt.
Die Germanistische Mediävistik, also die Wissenschaft von der deutschen Sprache und Literatur vom 8. bis zum 16. Jahrhundert, reizte Kipf besonders, bot sie ihm doch die Möglichkeit, seine weiteren Fächer, Theologie, Philosophie und die alten Sprachen Griechisch, Latein und auch ein bisschen Hebräisch einzubringen. ,,Ich habe mich innerhalb der Germanistik immer gerne auf die fremdesten und schwierigsten Texte konzentriert", sagt Kipf. Hier Erschließungsarbeit zu leisten, in historische und kulturelle Kontexte einzutauchen, um die Texte besser zu verstehen - das reizt den Sprachund Literaturwissenschaftler besonders.
Einsatz von KI Das Bild des einsam in der Klosterbibliothek forschenden Wissenschaftlers kann er indes nicht bedienen, hat sich die Germanistik doch schon als eine der ersten Wissenschaften digitaler Hilfsmittel bedient. Heute lässt Kipf ganz selbstverständlich alte Handschriften mit Hilfe einer Software, die KI nutzt, einlesen. Und doch verschwinden manche Projekte ganz plötzlich: Gehen Forscherinnen oder Forscher in den Ruhestand, werden mitunter auch ihre Webseiten abgeschaltet, wertvolle Projekte, Tools und Informationen gehen so verloren. Hier für digitale Nachhaltigkeit zu sorgen ist einer der Schwerpunkte, denen Professor Kipf sich verschrieben hat.
Die mediale Andersartigkeit im Frühund der rasante Medienwandel im Spätmittelalter sind es, die diese Epochen für den Sprachund Literaturwissenschaftler so spannend machen. Gab es im Frühmittelalter allenfalls ,,Inseln der Schriftlichkeit", nämlich die Klöster und Domschulen, unterliegt der Schriftgebrauch im Spätmittelalter durch die Ausbreitung des Buchdrucks einem rasanten Wandel. In der Lehre versucht er, Themen oft auf eine Art Metaebene zu legen: ,,Für die Studierenden ist nicht entscheidend, zu wissen, wie der frühmittelalterliche Stabreimvers funktioniert. Entscheidend ist zu wissen, dass es diese Art der Dichtung, die sich grundlegend von unserer heutigen Dichtung unterscheidet, gegeben hat, dass sie funktioniert und eine eigene Kultur gebildet hat." So versucht er, Aha-Momente zu kreieren, denn ,,das das Schönste ist, wenn Studierende erkennen, dass es in einem Lied tatsächlich um die Verarbeitung von Sehnsucht und Liebesleid geht, und nicht um die Abarbeitung eines poetologischen Programms."
Seine Lieblingsautoren sind echte Klassiker, Gottfried von Straßburg nennt er, den Meistersinger Hans Sachs und natürlich Walther von der Vogelweide. Insbesondere an Hans Sachs hätten auch die Studierenden viel Freude, gerade wegen seiner Vielfältigkeit. Und wenn’s auch mit Hans Sachs mal nicht klappt, dann kann Professor Klaus Kipf ja immer noch singen. Gefällt das seinen Studentinnen und Studenten eigentlich? ,,Rausgegangen ist jedenfalls noch keiner", sagt er lachend.