Die Europäische Union fördert Projekte verschiedener Fachbereiche in Millionen-Höhe
So viele ERC Starting Grants auf einmal gab es an der Universität Bonn noch nie: Gleich sieben Forschende setzten sich mit ihren Anträgen in dem hochkompetitiven Verfahren des Europäischen Forschungsrats (ERC) durch. Mit dem Fördergeld über jeweils bis zu 1,5 Millionen Euro können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Ethik, Mathematik, Bodenkunde, Informatik, Astronomie sowie den Wirtschaftswissenschaften in den nächsten fünf Jahren ihre Projekte verwirklichen.Im Rahmen ihres ERC Starting Grant-Projekts ,,PiCo - Towards constraining the Pillars of our Cosmological model using combined probes" wird Juniorprofessorin Dr. Andrina Nicola vom Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn zwei grundlegende Fragen der modernen Physik untersuchen: Welcher Mechanismus führte zu den ursprünglichen Fluktuationen, aus denen alle heute im Universum sichtbaren Strukturen hervorgegangen sind? Und was ist die Ursache für die beschleunigte Expansion des Universums? Um diese Fragen zu beantworten, kombiniert sie verschiedene kosmologische Sonden wie die großräumige Verteilung von Galaxien, den schwachen Gravitationslinseneffekt und Galaxienhaufen. Ihre Forschungsgruppe wird die von ihnen neuentwickelten Analysemethoden dann auf Daten des Rubin Observatory Legacy Survey of Space and Time und des Simons Observatory anwenden. ,,Das Ziel unserer Arbeit ist es Licht auf zwei grundlegende Säulen unseres kosmologischen Modells werfen: dunkle Energie und Inflation", erklärt Jun.- Andrina Nicola, die auch Mitglied im Transdisziplinären Forschungsbereich (TRA) ,,Matter" der Universität Bonn ist.
Juniorprofessorin Dr. Andrina Nicola studierte Physik an der ETH Zürich, wo sie im gleichen Fach auch promovierte. Im Anschluss ging sie als Postdoc an die Princeton University in den USA, bevor sie als Tenure-Track Assistant Professor an die Washington University in St. Louis wechselte. Seit Mai 2023 ist sie Juniorprofessorin am Argelander-Institut für Astronomie an der Universität Bonn.
Juniorprofessorin Dr. Andrina Nicola studierte Physik an der ETH Zürich, wo sie im gleichen Fach auch promovierte. Im Anschluss ging sie als Postdoc an die Princeton University in den USA, bevor sie als Tenure Track Assistant Professor an die Washington University in St. Louis wechselte. Seit Mai 2023 ist sie Juniorprofessorin am Argelander-Institut für Astronomie an der Universität Bonn.
Plastikabfall verschmutzt unsere Flüsse, unsere Meere, unser Land. Es gibt kaum noch Böden, in denen kein Plastik nachgewiesen werden kann. Dabei konzentrieren sich die meisten Studien auf Mikroplastik, Partikel, die zwischen 0,001 und fünf Millimeter klein sind - kleiner als eine Ameise. Es geht aber noch winziger: Kolloidales und Nanoplastik ist kleiner als 1000 bzw. 100 nm, und somit kleiner als menschliche Zellen. In ihrem ERC Starting Grant-Projekt ,,NanoSoil: Nanoand colloidal plastics in soil: input, plant uptake and risk assessment" untersucht Dr. Melanie Braun vom Institut für Nutzpflanzenwissenschaft und Ressourcenschutz (INRES) der Universität Bonn in den kommenden fünf Jahren Nanoplastik in landwirtschaftlichen Böden. ,,Gerade für Nanoplastik wird eine schädliche Wirkung vermutet, auch auf die menschliche Gesundheit. Deshalb ist es wichtig, zu wissen wie viel von diesem Plastik in unseren Böden ist, und wie viel davon in die Pflanzen, unsere Nahrung, gelangt", erklärt Melanie Braun, die auch Mitglied im Exzellenzcluster PhenoRob der Universität Bonn ist, ihre Motivation.
Bisher konnten Plastikpartikel, die kleiner als einen Mikrometer sind, zwar im Boden schon nachgewiesen werden, eine Quantifizierung war jedoch noch nicht möglich. Das möchte Melanie Braun nun zusammen mit ihrem Team erreichen, indem sie bestehende analytische Methoden weiterentwickelt. Mit der neu entwickelten Methode wird sie kolloidales und Nanoplastik in einem EU-weiten Monitoring in landwirtschaftlichen Böden nachweisen und untersuchen, auf welchen Wegen das Nanoplastik, darunter auch sogenanntes bioabbaubares Plastik, dort eingetragen wird. Zudem wird ihr Team untersuchen, wie viel von dem Plastik in verschiedene Nutzpflanzen aufgenommen wird, um festzustellen ob unsere Nahrung kontaminiert ist.
,,Mit dem ERC Starting Grant kann ich nun meine beiden Forschungsschwerpunkte, nämlich Nanopartikel und Plastik, kombinieren", freut sich Melanie Braun. ,,Der Grant gibt mir so die Chance, fünf Jahre an einem hoch interessanten, aber auch sehr komplexen Thema zu arbeiten, und mir mein eigenes Team aufzubauen."
Dr. Melanie Braun studierte Geographie an der Universität zu Köln, bevor sie als Diplom-Assistentin am Institut für Nutzpflanzenwissenschaft und Ressourcenschutz (INRES) der Universität Bonn anfing, wo sie auch promovierte und im Anschluss als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig war. Im Jahr 2016 erhielt sie ein Annemarie Schimmel-Stipendium von der Universität Bonn; im Jahre 2022 wurde sie mit dem Klaus-Töpfer Forschungspreis des Transdisziplinären Forschungsbereich (TRA) ,,Sustainable Futures" der Universität Bonn ausgezeichnet. Seit 2021 ist sie Akademische Rätin am INRES.
Sie regulieren die weltweiten Temperaturen sowie unser Wetter und speichern große Mengen Kohlenstoffdioxid: Ozeane sind für eine gesunde Umwelt und unser Klima von entscheidender Bedeutung. Gleichzeitig sind sie ein wichtiger Wirtschaftssektor. Laut dem ,,Trade and Environment Review 2023" der UN Trade & Development ist die Meereswirtschaft zwischen drei und sechs Billionen US Dollar wert. Verluste durch Missmanagement, Überfischung sowie Verschmutzung hat jedoch schwerwiegende Folgen für die mehr als 3 Milliarden Menschen, deren Nahrung und Einkommen vom Meer abhängen.
Das rasante Wachstum der Meereswirtschaft in den Bereichen Tourismus, Schifffahrt, Offshore-Energie, Aquakultur und Tiefseebergbau hat dazu geführt, dass Risiken und Vorteile der Meereswirtschaft nicht gerecht verteilt werden. Um dem entgegenzuwirken haben die Vereinten Nationen 2023 einen neuen Vertrag über die Hohe See - Meeresgebiete, die außerhalb der nationalen Gerichtsbarkeit liegen und rund 50 Prozent der Meere ausmachen - verabschiedet, in dem festgelegt ist, dass die Hohe See im Rahmen von Modellen mit gemeinsamen Rechten verwaltet werden sollen.
,,Bislang gibt es jedoch kaum Erfahrungen mit Modellen für gemeinsame Rechte in diesem Maßstab", sagt Stefan Partelow vom Center for Life Ethics der Universität Bonn. ,,Wir müssen von bestehenden Ansätzen auf lokaler und regionaler Ebene lernen und Wege finden, die Prinzipien und Praktiken erfolgreicher lokaler und regionaler Gemeingüter in globale Governance-Prozesse zu Übertragen." In seinem mit rund 1,5 Millionen Euro geförderten ERC-Projekt wird Partelow eine Skalierung entwickeln, mit der kollaborative Governance-Ansätze identifiziert und effektiv umgesetzt werden können, um Vorteile und Risiken in der Meereswirtschaft auf lokaler, regionaler und globaler Ebene besser zu teilen. ,,Mein Projekt wird zudem zeigen, das die interund transdisziplinäre Forschung bei der Entwicklung einer nachhaltigen und sozial gerechten Meereswirtschaft eine Rolle spielen muss."
Stefan Partelow studierte Umweltstudien und Nachhaltigkeitswissenschaften an der University of California Santa Barbara, USA, und der Universität Lund, Schweden, bevor er am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) in Bremen promovierte. Seine Forschung beschäftigt sich mit der Frage, wie die Verwaltung von Umweltgütern effektiver gestaltet werden kann. Stefan Partelow leitet seit 2023 die Gruppe "Transformations" am Center for Life Ethics und ist Mitglied in den Transdisziplinären Forschungsbereichen (TRA) ,,Individuals and Societies" und ,,Sustainable Futures" der Universität.
Visual Computing bietet Potenzial für verschiedenste Anwendungen, von der medizinischen Bildanalyse bis hin zum autonomen Fahren. ,,Das Arbeitsgebiet Visual Computing arbeitet vermehrt mit Methoden des Maschinellen Lernens. Mithilfe dieser Ansätze wurden in den vergangenen Jahren bereits eine Reihe von Problemen gelöst, wie beispielsweise die synthethische Generierung von photorealistischen Bildern, oder die automatisierte Erzeugung von statistischen Formmodellen von 3D Organen.", erklärt Florian Bernard vom Institut für Informatik II - Visual Computing. ,,Das Problem dabei ist jedoch, dass die Fortschritte häufig hauptsächlich auf eine Vergrößerung der verwendeten Ressourcen, wie Energie, Daten oder Hardware, zurückzuführen sind."
Mit dem ERC Starting Grant in Höhe von rund 1,6 Millionen Euro will Bernard in dem Projekt "Harmonising Observations and Underlying Principles for Visual Data Association" (kurz: Harmony) dieses Problem angehen. Mit seiner Arbeitsgruppe forscht er an intelligenten Visual Computing Algorithmen, die maschinelle Lerntechniken mit menschlichem Wissen kombinieren. "Harmony" befasst sich dabei mit dem Verständnis von Gemeinsamkeiten in visuellen Daten, z.B. ,,Ich möchte das bekannte Wissen über grundlegende Prinzipien, wie zum Beispiel über die Physik oder Geometrie, mit dem kollektiven Wissen, welches implizit in großen Sammlungen von visuellen Daten vorhanden ist, angemessen verknüpfen", erklärt Bernard, der auch Mitglied in dem Transdisziplinären Forschungsbereich (TRA) "Modelling" der Universität Bonn ist. ,,Diese Kombination verhindert, dass maschinelle Lernsysteme unnötige Ressourcen aufwenden müssen, um bereits Bekanntes neu zu erlernen."
Der Grant ermöglicht es dem Informatiker seine Forschung zu verbreitern: ,,Einerseits können wir uns gemeinsam mit einem breiteren Themenfeld an spannenden offenen Forschungsfragen befassen. Anderseits wird die engere Verzahnung von bisherigen und neuen Forschungsthemen ermöglicht."
Prof. Florian Bernard studierte Informatik an der Hochschule Trier, bevor er an der Universität Luxemburg promovierte. Es folgten Stationen als Postdoc an der Universität Luxemburg sowie am Max-Planck-Institut für Informatik. Im Jahr 2020 ging Bernard als Visiting Professor an die Technische Universität München. 2021 kam er als Juniorprofessur ans Institut für Informatik II - Visual Computing der Universität Bonn, wo er seit 2023 als Professor tätig ist.
Prof. Markus Hausmann vom Mathematischen Institut der Universität Bonn ist ein Mathematiker, der an algebraischer Topologie und ihren Wechselwirkungen mit algebraischer Geometrie, Darstellungstheorie und tensor-triangulierter Geometrie forscht. Mit seinem Projekt "Bordism of symmetries: From global groups to derived orbifolds" (BorSym) taucht er in die Grundlagenforschung der Mathematik. Darin wird er die Symmetrie von Räumen mit algebraischen Methoden studieren. ,,Das Projekt verbindet verschiedene spannende mathematische Bereiche, in denen es in den letzten Jahren viel Fortschritt gab und die auf Überraschende Weise miteinander verknüpft sind. Aus diesem Zusammenspiel versprechen wir uns neue Erkenntnisse bei lange offenen Problemen", erklärt Markus Hausmann.
Der ERC fördert BorSym für die nächsten fünf Jahre mit knapp 1,5 Millionen Euro. Die Mittel möchte Markus Hausmann nutzen, ,,um ein großes Team an PostDocs und Doktoranden zusammenzustellen, um die offenen Probleme gemeinsam anzugehen. Solch eine Möglichkeit hätte ich ohne den Grant nicht."
Prof. Markus Hausmann studierte an der Universität Bonn Mathematik, bevor er im Jahr 2016 hier im selben Fach auch promovierte. Im Anschluss ging er als PostDoc an die Universität Kopenhagen. Es folgten Stationen als Akademischer Rat auf Zeit an der Universität Bonn sowie als Associate Professor an der Universität Stockholm. Im Juli 2023 kehrte Hausmann an seine Alma Mater zurück, wo er nun als Professor für Mathematik forscht und lehrt. Markus Hausmann ist zudem Mitglied im Exzellenzcluster "Hausdorff Center for Mathematics" der Universität Bonn.
In ihrem Projekt "Information Economics with Fundamental Uncertainty: Robustness, Commitment, and Strategic Incentives (INFORM)" untersucht Prof. Sarah Auster vom Institut für Mikroökonomie der Universität Bonn, wie Unsicherheit die Gewinnung, Verarbeitung und strategische Verbreitung von Informationen beeinflusst.
,,Der klassische Ansatz der Informationsökonomie geht vor allem von Szenarien mit klar definierten Risiken aus", erklärt Auster. ,,Mein Fokus hingegen liegt auf komplexen Lernsituationen." Dazu gehören zum Beispiel klinische Studien zu neuen medizinischen Behandlungsmethoden oder A/B-Testing in digitalen Märkten, eine Methode zur Optimierung elektronischer Plattformen. Zudem erforscht das Projekt, wie sich strategische Anreize zum Informationsaustausch verändern, wenn potenzielle Empfänger nur ein partielles Bild der möglichen Informationsquellen haben, zu denen andere Parteien Zugang haben.
In den kommenden fünf Jahren erhält Sarah Auster für ,,INFORM" 1,5 Millionen Euro Fördergeld im Rahmen des ERC Starting Grant - und erhält damit ,,die Freiheit, mich intensiv auf die Forschung zu konzentrieren."
Prof. Sarah Auster hat Wirtschaftswissenschaften auf Diplom in Würzburg studiert, bevor sie am European University Institute in Florenz im selben Fach promovierte. Es folgten Stationen als Assistant Professor an der Università Commerciale Luigi Bocconi in Mailand und der Universität Mannheim sowie als Associate Professor an der Universität Bonn. Seit 2024 ist sie als Professorin am Institut für Mikroökonomie der Universität Bonn tätig. Auster ist zudem Mitglied im Exzellenzcluster ECONtribute der Universitäten Bonn und zu Köln sowie im DFG-Sonderforschungsbereich ,,Economic Perspectives on Societal Challenges" der Universitäten Bonn und Mannheim.
Im Zentrum von ,,FELICITAS" steht zum einen die Familie: Wie schätzen die Menschen es, einen Partner zu haben, verheiratet zu sein und Kinder zu haben Dies ist besonders interessant vor dem Hintergrund der sinkenden Geburtenraten in der EU. Das Projekt könnte zum Beispiel dabei helfen, die Fertilitätspräferenzen der Menschen und die Ressourcen zu verstehen, die ihre Entscheidung für Kinder beeinflussen. Zum anderen untersucht Dr. TomᨠJagelka, welchen Wert Menschen einem stabilen sozialen Netzwerk zuschreiben. Auf diese Weise lassen sich möglicherweise die Kosten der sozialen Isolation beziffern, ein Problem, das während der Covid-Pandemie ins Rampenlicht gerückt wurde. Ein weiterer Punkt: die alternden Gesellschaften in der EU. ,,Ich möchte verstehen, wie viel Einkommen die Menschen bereit wären aufzugeben, um ihr Leben verlängern zu können. Welche Lebensbedingungen bevorzugen die Menschen im Alter und wie viel wären sie bereit zu zahlen, um Krankheiten wie Krebs oder Alzheimer zu vermeiden?" Diese Ergebnisse könnten genutzt werden, um die Prioritäten der Gesundheitspolitik und der medizinischen Forschung entsprechend anzupassen.
"Durch den ERC Grant verfüge ich über die Mittel, um experimentelle Daten zu sammeln, mein eigenes Forschungsteam zu gründen und so viel Zeit wie möglich der Forschung zu widmen", sagt Jagelka. Außerdem habe er dadurch die Möglichkeit, das neu erworbene Wissen auf Konferenzen und Workshops zu verbreiten und zu reisen, um mit Co-Autoren in verschiedenen Einrichtungen persönlich zusammenzuarbeiten.
Dr. TomᨠJagelka studierte Wirtschaftswissenschaften auf Bachelor am Dartmouth College, USA, bevor er seinen Master in Wirtschaftsund Staatswissenschaften an der École Polytechnique, Sciences Po und ENSAE, Frankreich absolvierte. Im Jahr 2019 wurde er in Wirtschaftswissenschaften an der École Polytechnique der Université Paris-Saclay promoviert. Die French Economic Association zeichnete seine Doktorarbeit als beste Doktorarbeit in Wirtschaftswissenschaften in Frankreich in diesem Jahr aus. Seitdem ist er als PostDoc am Institut für Angewandte Mikroökonomik der Universität Bonn tätig.
Dr. TomᨠJagelka vom Institut für Angewandte Mikroökonomik der Universität Bonn erhält einen ERC Starting Grant.