’Im Sudan gibt es mehr Pyramiden als in Ägypten’

Internationale Konferenz rückt vom Krieg bedrohte sudanesische Kulturschätze in den Fokus

Portraitfoto Angelika Lohwasser
Portraitfoto Angelika Lohwasser
Die Forschungsstelle ,,Alter Sudan" vom Institut für Ägyptologie und Koptologie der Universität Münster richtet vom 9. bis 13. September die 13. ,,International Conference for Meroitic Studies" aus. Im Mittelpunkt stehen archäologische, historische und philologische Forschungen zum antiken Sudan, besonders zum Königreich Meroe (9.Jahrhundert v. Chr. bis 4. Jahrhundert n. Chr.). Im Vorfeld der Tagung beschreibt die Archäologin Angelika Lohwasser im Interview mit Anke Poppen die Bedeutung der sudanesischen Kulturgüter und deren Erforschung in Kriegszeiten.

Was ist das Besondere an den archäologischen Kulturgütern im Sudan?

Im heutigen Sudan befinden sich große Tempel, reich dekorierte Gräber und vielfältiges Kunsthandwerk - Zeugnisse einer Hochkultur. In der Mitte des 2. Jahrtausend v. Chr. war Nubien, heute im südlichen Ägypten und nördlichen Sudan gelegen, für etwa 400 Jahre von den Pharaonen beherrscht. Die Bauten dieser Zeit muten deshalb altägyptisch an. Doch danach entwickelte sich ein immer eigenständigeres und lokalen Traditionen verhaftetes kulturelles Schaffen, sodass wir von einer spezifischen meroitischen Kultur sprechen können. Als besonderen Wert empfinde ich, dass man hier die vielfältigen Verknüpfungen und das ,Spielen’ mit kulturellen Elementen unterschiedlicher Herkunft erkennen kann.

Wir sollten bei antiker Hochkultur also nicht immer nur an die Pyramiden in Ägypten denken?

Im Sudan gibt es sogar mehr Pyramiden als in Ägypten. Die äußere Form der Graboberbauten ist ägyptisch beeinflusst. Doch die Art der Bestattung, die Rituale während der Beisetzung, die mitgegebenen Objekte unterscheiden sich stark.

Welchen Einfluss hat das aktuelle Kriegsgeschehen auf die Ausgrabungen? Sind die Kulturgüter akut bedroht?
Eine direkte Auswirkung ist die Zerstörung, entweder als Kollateralschaden beim Bombardement von nahestehenden Bauten oder auch gezielt. Eine indirekte Folge ist die Flucht der Wächter von Ausgrabungsstätten, um sich und ihre Familien in Sicherheit zu bringen.

Unter welchen erschwerten Bedingungen läuft die Arbeit vor Ort ab?
Die einheimischen Kollegen versuchen vor allem, die Ausgrabungsstätten zu schützen und deren Zerstörung zu verhindern. Derzeit können keine ausländischen Forscher im Sudan arbeiten. Bereits in den ersten Kriegstagen wurde der internationale Flughafen zerstört, mittlerweile ist ein Militärflughafen behelfsmäßig für Flüge aus dem Land ausgebaut worden. Aber es gibt eine Reisewarnung. Feldarchäologisches Arbeiten ist aktuell nicht möglich.

Werden diese Umstände auch bei Ihrer Konferenz zu Sprache kommen?

Ja, wir planen eine große Diskussionsrunde zum Thema Schutz der Kulturgüter angesichts des Krieges. Neue Erkenntnisse zeigen einmal mehr ihre enorme Bedeutung. So liegt ein weiterer Schwerpunkt auf dem Reich von Meroe und seinen Außenkontakten, da in den letzten Jahren vermehrt archäologische Forschung in den Randgebieten unternommen wurde. Funde von teilweise weit entfernten Kulturen sprechen für Beziehungen in die gesamte Alte Welt, die bisher noch nicht aufgearbeitet sind. Vor dem Hintergrund vieler neuer Funde, die sogar bisher feststehende Herrscher-Reihenfolgen ins Wanken gebracht haben, müssen auch geschichtliche Zusammenhänge und Chronologie aktualisiert werden. Und nicht zuletzt möchten wir das Thema Religion in der Meroitistik wieder stärker verankern.