Forschende wollen den Zugverkehr auf dem Land revolutionieren

Nachhaltig, effizient und wirtschaftlich: Der Aachener Rail Shuttle soll autonom fahren und so auch dem Fachkräftemangel entgegenwirken.

Alle 10 oder 15 Minuten kommt ein Zug - und das auf dem Land, abseits der großen Städte. Und dieser Zug ist nicht nur nachhaltig und Ökonomisch sinnvoll, er fährt auch noch autonom als Antwort auf den zunehmenden Fachkräftemangel. Der ,,Aachener Rail Shuttle" (ARS) klingt nach einer prima Idee für den öffentlichen Verkehr im ländlichen Raum. Der an der RWTH entwickelte Prototyp wird derzeit produziert, im September soll er vorgestellt werden.

,,Das Angebot in den Großstädten ist prima", sagt Projektleiter Christian Frowein vom Institut für Schienenfahrzeuge und Transportsysteme (IFS) der RWTH Aachen, ,,auf dem Land hingegen werden die meisten Strecken mit einem relativ langen Zug pro Stunde oder noch seltener bedient." Wenn die Strecken nicht gleich ganz geschlossen wurden - sie waren schlicht nicht wirtschaftlich zu betreiben.

Die Unzufriedenheit bei den Fahrgästen ist groß, der öffentliche Nahverkehr folglich oftmals kaum eine ernstzunehmende Alternative zum Auto. Dies wollen die RWTH-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler deutlich ändern. Die Idee: Statt eines langen mehrteiligen Zuges sind eine Reihe von Einzelfahrzeugen, mit etwas mehr als 13 Metern jeweils nicht länger als ein Linienbus, viertelstündlich auf den Strecken unterwegs - batteriebetrieben und autonom fahrend. Das ist nicht nur nachhaltig und effektiv, es ist für potenzielle Kundinnen und Kunden auch höchst attraktiv.

Vor etwa vier Jahren hat Institutsleiter Professor Christian Schindler gemeinsam mit Studierenden die Idee der fahrerlosen Alternative entwickelt, um die große Herausforderung der fehlenden Wirtschaftlichkeit im Betrieb, insbesondere in ländlichen Gebieten, zu durchbrechen. Längst ist dieser Gedanke aber auch zur Antwort auf den zunehmenden Fachkräftemangel geworden. Insbesondere bedingt durch die Verkehrswende fehlen Überproportional viele Lokführer, rund 4000 sind es aktuell, zitiert das ZDF eine Studie des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (Kofa) des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW). ,,Auch aus diesem Grund ist das Interesse insbesondere der Betreiber an unserer Arbeit sehr groß", sagt Christian Frowein.

Kleine, einteilige Fahrzeuge, wie sie seit Mitte 2021 an der RWTH geplant und gebaut werden, gibt es im Portfolio der Hersteller aktuell nicht, ,,weil einfach der Bedarf nicht da war", erläutert Frowein. Da es inzwischen eine Tendenz zur Reaktivierung stillgelegter Strecken im ländlichen Raum gibt, ,,sind wir aber nicht die Einzigen, die in diese Richtung denken." Einzigartig ist aber die Kombination aus einem einteiligen Fahrzeug, das batterieelektrisch betrieben wird und gleichzeitig konsequent auf fahrerlosen Betrieb ausgerichtet ist. Es gibt zwar einen Notfahrerstand, diesen aber nur für die ersten Probefahrten, die in Kürze anstehen.

Das Gesamtvorhaben ,,Aachener Rail Shuttle" gliedert sich in verschiedene Bereiche. Unter dem Projektnamen ,,Flexibler Schienenbus für den ländlichen Raum" (FlexSBus-LR) wird, vereinfacht formuliert, in einem Konsortium mit den Großkonzernen Schaeffler und Knorr-Bremse sowie mehreren regionalen Mittelständlern der fahrbare Untersatz entwickelt. Das Chassis ist allein fahrfähig, die Fahrgastzelle für Passagiere wird Übergestülpt - so ist der Unterbau später auch im Güterverkehr einsetzbar. Zur Fahrzeugentwicklung kommt in einem Parallelprojekt das fahrerlose Fahren, auch hier arbeiten die IFS-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler bei Themen wie Sensorik, Umfelderkennung und dem Trainieren einer KI mit Kooperationspartnern zusammen, unter anderem mit der FH Aachen.

Der Rail Shuttle ist in seiner physischen Gestalt zu Ende entwickelt, die Rohbauten werden aktuell im Laser Bearbeitungsund Beratungszentrum (LBBZ) in Geilenkirchen gefertigt. Ob und wann das Fahrzeug in eine Serienfertigung gehen kann, hängt entscheidend von der Zulassung des fahrerlosen Fahrens ab. Vorstellbar sei aber auch, so Frowein, dass einige Einheiten fahrerlos für Pilotprojekte ausgeliefert werden und andere mit Fahrerstand. Denn durch die hohe Taktung und geringe Stückkosten können die Shuttle auch mit Fahrer wirtschaftlich interessant für die Streckenbetreiber sein.

Und dann ist da ja noch der Ökologische Aspekt: Rund 40 Prozent des bestehenden deutschen Schienennetzes, so Frowein, seien nicht elektrifiziert, ,,dort können wir also mit unserem Batterieantrieb lokale Emissionsfreiheit herstellen." Zusätzlich gibt es eine Reaktivierungsstudie des Verbands der deutschen Verkehrsunternehmen (VDV), in dem Streckenabschnitte ausgewiesen sind, für die eine Reaktivierung sinnvoll und nachhaltig effizient sein kann. Und durch das autonome Fahren eben auch wirtschaftlich.