Bestand geht vor Neubau

,,Open Perspectives": Expertinnen diskutieren an der RWTH zum ressourcenschonenden und nachhaltigen Bauen.

Wie können wir das Wissen aus der RWTH der RWTH und darüber hinaus vermitteln? Mit dieser Frage beschäftigt sich das Format ,,Open Perspectives", organisiert von der Stabsstelle Nachhaltigkeit. Bei der jüngsten Veranstaltung informierten Professorin Linda Hildebrand und Ursula Feld von der Stadt Aachen über nachhaltiges Bauen.

Wir müssen den Bestand besser nutzen! Eigentlich ist nachhaltiges Bauen ganz einfach. Eigentlich. Professorin Linda Hildebrand ist Juniorprofessorin für Rezykliergerechtes Bauen an der RWTH Aachen. Ihr geht es darum, beim Bauen den Einsatz von Ressourcen so gering wie möglich zu halten. Entweder, indem eben der Bestand besser genutzt wird, oder indem Materialien wiederverwendet, Rohstoffe eingespart und Ressourcen verringert werden. ,,Wir müssen zu einer stärkeren Wertschätzung des Bestehenden kommen", so die Juniorprofessorin während ihres Vortrags in der RWTH-Skylounge. Dazu zähle, dass nicht nur einfache, sondern auch komplexe Sanierungsvorhaben umgesetzt würden. Und wenn eine Sanierung nicht möglich sei, muss über eine Bauteil-Wiederverwendung nachgedacht werden. Hier seien auch die Kommunen in der Pflicht, beispielsweise indem sie Platz für die Lagerung von Materialien zur Verfügung stellen, ,,Urban Mining Hubs" nennt die Wissenschaftlerin solche Orte. Dass die Bauwirtschaft nicht nur große Mengen Abfall produziert, sondern nach wie vor einen gewaltigen Ressourcenhunger hat, zeigt, wie dringlich es ist, von einer linearen zu einer zirkulären Bauwirtschaft zu kommen. Dazu zählt, dass bereits Planung und Ausschreibung auf die Zirkularität abzielen, so sollten beispielsweise verbaute Ressourcen dokumentiert werden, um eine Nachnutzung möglich zu machen. Aufgabe der Forschung sei es dabei, zu bewerten, was für eine solche Nachnutzung nutzbar sei.

Von der Stabsstelle ,,Nachhaltiges Bauen" der Stadt Aachen war Ursula Feld in die Skylounge gekommen. Das Gebäudemanagement der Stadt Aachen ist für 870 Gebäude verantwortlich - ein gigantisches Ressourcenund Emissionen-Einsparpotenzial. Anhand mehrerer Beispiele erläuterte Ursula Feld, wie das Energieund Ressourcenmanagement der Stadt funktioniert. So wurden beim Abriss der Schule in der Franzstraße Ziegel gesichert, die nun für andere Projekte wiederverwendet werden können. Beim Verwaltungsgebäude in der Lagerhausstraße sind derzeit Studierende mit einer Analyse des Bestands beschäftigt, um genau solch’ eine Wiederverwendung für möglichst viele Materialeien möglich zu machen. Diese und weitere Beispiele zeigten, dass ,,es bereits viele Kooperationen und gemeinsame Projekte von Stadt und RWTH gibt", so Professorin Christa Reicher, Leiterin des Lehrstuhls für Städtebau und Entwerfen und des Instituts für Städtebau und europäische Urbanistik an der RWTH. Längst würden auch die Studierenden Nachhaltigkeit und einen verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen einfordern. Mit dem Bewusstsein, dass Bestandserhaltung vor Neubau gehe, müsse nun das vorhandene Wissen in die Umsetzung gelangen. Wichtig dabei, ergänzte Prof. Linda Hildebrand, sei es, standardisierte Prozesse mit Blick auf Nachhaltigkeit zu entwickeln: ,,Wir benötigen Automatismen und Routinen, um den Bestand auf weitere Nutzung zu überprüfen und zu verstehen."

Vortrag und Diskussion in der Skylounge waren bereits die zweite Veranstaltung der von der Stabsstelle für Nachhaltigkeit unter Leitung von Katharina Jochim organisierten Reihe ,,Open Perspectives".