Ein schwarzes Loch von unerklärlich hoher Masse

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Das schwarze Loch wog bereits eine Milliarde Sonnenmassen, als das Universum noch in den Kinderschuhen steckte

Künstlerische Darstellung des leuchtstarken Zentrums einer Quasar-Galaxie. Das s
Künstlerische Darstellung des leuchtstarken Zentrums einer Quasar-Galaxie. Das supermassereiche schwarze Loch im Zentrum ist von einer hellen Scheibe aus Gas und Staub umgeben. Der Staubanteil weiter außen kann den Blick auf das Innere verdecken und leuchtet vorwiegend im mittleren Infrarotbereich, Licht, das das James Webb Weltraumteleskop analysieren kann. Ein gebündelter, hochenergetischer Teilchenstrahl, ragt zudem aus der unmittelbaren Umgebung des Schwarzen Lochs rechtwinklig zur Scheibe ins All. © T. Müller / MPIA
Das James Webb Weltraumteleskop hat eine Galaxie im besonders jungen Universum vor die Linse bekommen. Bei dem Blick in die Vergangenheit wurde klar: Das Licht Licht der Galaxie namens J1120+0641 hat fast so lange bis zur Erde gebraucht, wie das Universum in seiner Entwicklung bis heute. Dabei ist unerklärlich, wie das schwarze Loch in deren Zentrum bereits damals über eine Milliarden Sonnenmassen wiegen konnte, denn das ergeben unabhängige Messungen. Die neuen Beobachtungen sollten einen besonders effizienten Fütterungsmechanismus entlarven, doch sie fanden nichts Außergewöhnliches. Das Ergenis aber ist umso bedeutsamer: Es könnte zeigen, dass Astronominnen und Astronomen weniger darüber wissen, wie sich Galaxien entwickeln, als sie dachten. Und doch enttäuschen sie keineswegs. Im Gegenteil.

Die ersten Milliarden Jahre der kosmischen Geschichte stellen für die Astronomie eine Herausforderung dar. Die frühesten bekannten Schwarzen Löcher in den Zentren von Galaxien besaßen bereits damals Überraschend große Massen. Aber wie konnten sie so schnell so massereich werden? Jetzt verschärfen neue Beobachtungen das Problem sogar noch: Es scheint es für die frühesten Schwarzen Löcher keinen "ultra-effektiven Fütterungsmodus" zu geben, der einen raschen Massezuwachs erklären könnte.

Grenzen des Wachstums supermassereicher Schwarzer Löcher

Sterne und Galaxien haben sich in den letzten 13,8 Milliarden Jahren, der bisherigen Lebenszeit unseres Kosmos, enorm verändert. Die Galaxien sind größer geworden und haben an Masse gewonnen, indem sie sich Gas aus ihrer Umgebung einverleibt haben oder indem zwei Galaxien miteinander verschmolzen. Lange Zeit gingen Astronominnen und Astronomen davon aus, dass die supermassereichen schwarzen Löcher in den Zentren der Galaxien ähnlich gewachsen sind wie die Galaxien selbst, also indem sie sich allmählich Masse einverleibt haben.

Schwarze Löcher können ganz allgemein nicht beliebig schnell wachsen. Materie, die auf ein Schwarzes Loch fällt, bildet eine sich drehende, heiße, helle "Akkretionsscheibe" um das Schwarze Loch. Bei supermassereichen Schwarzen Löchern entsteht auf diese Weise ein aktiver galaktischer Kern. Die hellsten aktiven Kerne, die so genannten Quasare, gehören zu den hellsten astronomischen Objekten Überhaupt. Der Kern ist nur deswegen so hell, weil Materie langsam auf das schwarze Loch zuströmt. Dabei wird die Gravitationsenergie der angehäuften Materie in Strahlung umgewandelt. Laut Einstein ist Masse nichts anderes als Energie. Was das bedeutet wissen alle, denen beim Umzug ein schweres Möbelstück im Treppenhaus entglitten ist. Da im Falle des aktiven Galaxiekerns die Energie der sogenannten akkretierten Materie das System zu einem gewissen Anteil in Form von Strahlung wieder verlässt, und da diese Strahlung einen Gegendruck auf weiter einfallende Materie ausübt, reguliert sich das System gewissermaßen selbst und bremst den weiteren Materieeinfall.

Wie wurden Schwarze Locher so rasch so massereich?

Deshalb waren die Forschenden so Überrascht, als sie in den letzten zwanzig Jahren einzelne sehr junge Quasare im frühen Universum entdeckten, deren zentrale Schwarze Löcher bereits bis zu 10 Milliarden Sonnenmassen wiegen. In der Astronomie ist der Blick auf weit entfernte Objekte immer ein Blick in die ferne Vergangenheit, schlicht weil das Licht jener Objekte immer eine gewisse Zeit benötigt, um uns zu erreichen. Die am weitesten entfernten bekannten Quasare sehen wir so, wie sie in einer als "kosmische Dämmerung" bezeichneten Ära waren, weniger als eine Milliarde Jahre nach dem Urknall, als die ersten Sterne und Galaxien entstanden.

Zu erklären, wie die frühen, massereichen Schwarzen Löcher entstanden ist aktuell eine große Herausforderung für die Modelle der Galaxienentwicklung. Es gibt eine Reihe von möglichen Erklärungen, allerdings bislang noch keine, die wirklich alle Beobachtungen erklärt, wie etwa der extrem massereicher Schwarzer Löcher im jungen Universum. Könnte es vielleicht sein, dass frühe Schwarze Löcher viel effizienter Gas akkretierten als ihre modernen Gegenstücke? Oder könnte Staub die Beobachtungen von Quasaren so beeinflussen, dass die Abschätzungen für die Massen von frühen Quasaren irrtümlich zu hoch ausfallen?

Genauer hingeschaut beim Wachstum früher Schwarzer Löcher

Um entscheiden zu können, welche der Erklärungen - wenn Überhaupt eine davon - die richtige ist, sind genauere Beobachtungen von Quasaren nötig, als sie bislang möglich waren. Hier kommt das Weltraumteleskop JWST und sein Instrument Miri für den mittleren Infrarotbereich ins Spiel: Bei der Messung der Lichtspektren entfernter Quasare ist Miri 4000 Mal empfindlicher als alle vorherigen Instrumente.

Instrumente wie Miri werden von internationalen Konsortien gebaut, in enger Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern, Ingenieurinnen und Technikern. Als Gegenleistung für den Bau des Instruments erhalten die Konsortien ein bestimmtes Kontingent an Beobachtungszeit. Bereits 2019, Jahre vor dem Start von JWST, beschloss das europäische Miri-Konsortium, einen Teil dieser Zeit zu nutzen, um Miri mit einer wichtigen Art von Beobachtung auf die Probe zu stellen: Man beschloss, den damals am weitesten entfernten bekannten Quasar zu beobachten, ein Objekt mit der Bezeichnung J1120+0641.

Blick auf eines der frühesten Schwarzen Löcher

Die Auswertung der Beobachtungen wurde Dr. Sarah Bosman Übertragen, Postdoktorandin am Max-Planck-Institut für Astronomie. Das Institut hatte zum Miri-Instrument eine Reihe wichtiger Bauteile beigetragen. Bosman ist Expertin auf dem Gebiet früher, also sehr junger supermassereicher Schwarzer Löcher.

Die Beobachtungen wurden im Januar 2023 durchgeführt, während des ersten Beobachtungszyklus des JWST, und dauerten etwa zweieinhalb Stunden. Dies war die erste Untersuchung eines Quasars im mittleren Infrarotbereich in der Zeit der kosmischen Dämmerung, nur 770 Millionen Jahre nach dem Urknall (Rotverschiebung z=7). Erfasst wurde dabei nicht ein Bild, sondern ein Spektrum: die regenbogenartige Aufspaltung des Lichts des Objekts in Komponenten verschiedener Wellenlängen.

Ein -schockierend normalerfrüher Quasar

Die Gesamtform des Spektrums im mittleren Infrarot ("Kontinuum") enthält Informationen über die Eigenschaften eines gigantischen, lockeren Rings aus Staub, wie er die Akkretionsscheibe von Quasaren typischerweise umgibt. Der -Staubtorushilft, Materie zur Akkretionsscheibe zu leiten und so das Schwarze Loch zu "füttern". Das JWST Spektrum erfasste aber auch die Akkretionsscheibe aus Gas, die das Schwarze Loch im Zentrum umströmt. Weder der Staubtorus noch die innere Scheibe unterscheiden sich merklich von denen weiter entwickelter Quasare im heutigen Universum.

Ober und unterhalb der Akkretionsscheibe und des Torus umkreisen zudem Gasklumpen das Schwarze Loch mit annähernd Lichtgeschwindigkeit. Das Licht dieser Klumpen, das andere Teleskope studieren, lässt sich die Masse des Schwarzen Lochs und die Eigenschaft des Gases in der Umgebung ableiten. Aber auch hier Überrascht J1120+0641 nicht.

Bosman sagt: "Mit unseren Beobachtungen wird das Rätsel noch ein bisschen rätselhafter. Frühe Quasare waren Überraschend normal. Unabhängig davon, bei welchen Wellenlängen wir sie beobachten, sind Quasare offenbar in allen Epochen des Universums nahezu identisch." Es sieht so aus, als wären nicht nur die supermassereichen Schwarzen Löcher selbst, sondern auch ihre Fütterungsmechanismen bereits völlig "ausgereift" gewesen, als das Universum gerade mal 5 Prozent so alt war wie heute.

Das schließt eine Reihe der Lösungsvorschläge für die große Masse früher Schwarzer Löcher aus und stützt damit die Idee, dass supermassereiche Schwarze Löcher von Anfang an eine beträchtliche Masse gehabt haben müssen. Supermassereiche Schwarze Löcher dürften sich demnach nicht aus den Überresten früher Sterne, sondern von vornherein mit Massen von mindestens hunderttausend Sonnenmassen gebildet haben, vermutlich durch den Kollaps massereicher früher Gaswolken.

Auch wenn die Messungen sich also nicht mit bestehendem Wissen erklären ließen und zunächst große Fragen aufworfen, macht sie dies nur umso wertvoller auf dem Weg hin zu wirklich neuem Wissen.

MP/BEU

Schnell wachsende Galaxien könnten kosmisches Rätsel lösen - zeigen früheste Verschmelzung

Schon wenige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall entwickelten sich im All die ersten Galaxien. Woher aber rührt ihre große Vielfalt an Form und Gestalt? Wie hat sich das All als Ganzes entwickelt? Zwei deutsch-chinesische Partnergruppen am Garchinger Max-Planck-Institut für Astrophysik beschäftigen sich durch Beobachtungen und Simulationen mit der Evolution des frühen Kosmos: Cheng Li und Guinevere Kauffmann sowie Liang Gao und Simon White.