Durch Neuauswertung von Satellitendaten bestimmen Forschende der Uni Bonn die weltweite Wasserverteilung
Extreme Hitze und langanhaltende Dürren, anderswo Überflutungen: Insgesamt schwankt die kontinentale Wassermenge so stark, dass es auch zu deutlichen Fluktuationen des globalen Meeresspiegels kommt. Forschende der Geodäsie an der Universität Bonn haben durch die Kombination aus dem hydrologischen Modell WaterGAP mit GRACE-Satellitendaten einen neuen Datensatz erstellt, der die zeitlichen Veränderungen der Gesamtwasserverteilung auf den Landflächen der Erde über die vergangenen 20 Jahre genauer als alles bislang dagewesene darstellt. Die Ergebnisse werden nun im Journal of Geodesy vorgestellt."Mit der neuen Methode lassen sich Modellrechnungen zu den zukünftigen Auswirkungen des Klimawandels testen, insbesondere wie die Zunahme der Temperaturen und auch Veränderungen des Niederschlags sich je nach Region auf den Wasserhaushalt auswirken werden", sagt Dr.-Ing. Jürgen Kusche vom Institut für Geodäsie und Geoinformation der Universität Bonn. Hierzu werden Klimamodelle, die immer auch für einen Zeitraum in der Vergangenheit laufen, mit den Ergebnissen tatsächlicher Messungen verglichen. Solche Studien planen Kusche und sein Team für die nächsten Monate.
Durch die bessere Auflösung zeigt sich, dass Dürren weltweit deutlich häufiger auftreten, als es sich alleine in den GRACE-Satellitendaten niederschlägt. "Was wir sehen ist, dass selbst großräumige Dürren wie die massive Dürre im Jahr 2010 im gesamten Amazonasgebiet deutlich räumlich differenzierter auftreten, als es die Satellitendaten alleine zeigen", sagt Kusche. "Viele räumlich begrenztere Dürren werden von den Satelliten daher nicht gesehen."
Ein Team von Wissenschaftlern der Universität Bonn hat nun erstmals, gemeinsam mit Forschenden der Universität Frankfurt und aus Warschau (Polen), Satellitenmessungen mit hochauflösenden meteorologischen Daten kombiniert. "Das Besondere ist, dass auf diese Weise die Auflösung der resultierenden Karten der Wasserverteilung von etwa 300 Kilometer auf 50 Kilometer gesteigert werden konnte", berichtet Kusche, der Mitglied in den Transdisziplinären Forschungsbereichen "Modelling" und "Sustainable Futures" und im Sonderforschungsbereich "Regionaler Klimawandel" an der Universität Bonn ist. Dazu verwendeten die Forschenden das an der Universität Frankfurt entwickelte hydrologische Modell "WaterGAP" sowie ein mathematisches Verfahren, welches sonst in der Wettervorhersage Verwendung findet.
Schwerefeldänderungen durch Wassermassen
Das Satellitentandem GRACE (Gravity Recovery and Climate Experiment) hat von 2002 bis 2017 die Veränderungen der Erdanziehungskraft gemessen. Im Jahr 2018 startet das Folgeprojekt "GRACE-FO". Diese Daten nutzten die Forschenden der Universität Bonn. Da die Erdanziehungskraft von Massenveränderungen abhängt, erlaubt dies wiederum Rückschlüsse auf den Wasserkreislauf nahe der Erdoberfläche. Veränderungen von Grundwasserund Oberflächenspeichern oder die Gletscherschmelze wirken sich auf die Gravitation aus.
"Ein einzigartiger Vorteil der GRACE-Messung ist, dass sie alle Wasserspeicher umfasst, also auch Veränderungen von Grundwasservorkommen, die tief unter der Erdoberfläche verborgen sind, oder in zehntausenden von Stauseen oder Feuchtgebieten", sagt Kusches Mitarbeiterin Helena Gerdener. Der Nachteil sei, dass die räumliche Auflösung der Schwerefelddaten aufgrund des Messprinzips mit etwa 300 bis 350 Kilometer vergleichsweise grob ist. Verlässliche Aussagen lassen sich daher nur für Gebiete von rund 100.000 Quadratkilometern Größe treffen. Zum Vergleich: Diese Mindestfläche ist größer als das größte Bundesland Bayern, das "nur" etwa 70.000 Quadratkilometer umfasst.
Globale hydrologische Modelle erlauben dagegen eine Auflösung von 50 Kilometern oder darunter. Sie nutzen meteorologische Messungen von Niederschlag, Temperatur und Strahlung sowie Karten der Landnutzung und Bodenbeschaffenheit und Informationen zur Wassernutzung unter anderem durch Industrie und Landwirtschaft. Hydrologische Modelle simulieren die Verdunstung sowie Veränderungen der Wasserspeicher in Böden und grundwasserführenden Schichten, Seen, Flüssen und Reservoirs. "Ihr Nachteil besteht allerdings darin, dass diese Modelle die Wirklichkeit nur eingeschränkt nachbilden können, und dass meteorologische Messungen oft von systematischen Fehlern gekennzeichnet sind", sagt Kusche. Etwa, wenn Daten zur Grundwasserentnahme nicht zur Verfügung gestellt werden.
Die Forschenden kombinierten nun erstmals Messungen der GRACE- und GRACE-FO-Satelliten mit dem hydrologischen "WaterGAP"-Modell, das wiederum hochauflösende meteorologische Daten integriert. Die Auflösung der resultierenden Karten der Wasserverteilung konnte auf 50 Kilometer gesteigert werden. Dazu verwendeten die Forschenden das mathematisches Verfahren der Datenassimilierung, das sonst in der Wettervorhersage Verwendung findet. Dabei haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht einfach nur die Ergebnisse des hydrologischen Modells und die Satellitendaten gemittelt. "Die Berechnungen des hydrologischen Modells werden dabei so angepasst, dass man einerseits den Satellitendaten nahe kommt", sagt Kusche. "Andererseits wird die Physik, die im hydrologischen Modell berücksichtigt ist, möglichst wenig korrigiert."
1000 Messstationen für die Tests
Die Güte der aus den Satellitendaten und dem hydrologischen Modell kombinierten Karten der Wasserverteilung auf den Kontinenten testeten die Forschenden anhand von rund 1000 Messstationen. "Natürlich gibt es da immer regionale Unterschiede", sagt Helena Gerdener. Aber generell zeige sich, dass die kombinierten Daten besser zu den Messungen passen, als die rein auf den GRACE-Satellitendaten oder nur auf dem hydrologischen Modell basierenden Berechnungen.