Autonomer Nurflügler erfolgreich getestet - TUM

- EN- DE
Strukturmodell des UAV Sagitta. (Bild: Lehrstuhl für Leichtbau / TUM)
Strukturmodell des UAV Sagitta. (Bild: Lehrstuhl für Leichtbau / TUM)

Das unbemannte Flugzeug Sagitta hat auf der Overberg Testrange in Südafrika seine ersten beiden Testflüge erfolgreich absolviert. Bei dem Projekt handelt es sich um eine ,,Open Innovation"-Initiative des Luftfahrzeugherstellers Airbus. Ziel war es, neue Technologien für unbemannte Flugzeuge zu entwickeln. Sagitta fungiert dabei als Plattform, um die Technologien zu testen. Forscherinnen und Forscher der Technischen Universität München (TUM) verantworteten die Gesamtkonfiguration, programmierten die Flugregelung, untersuchten auftretende Strömungsphänomene und entwickelten flexible Werkstoffe.

Kleine Quadrocopter liefern Pakete vor die Haustür, Lufttaxis transportieren Passagiere durch die Stadt: In der Zukunft werden unbemannte Luftfahrzeuge (unmanned aerial verhicles - UAVs) zu unserem Alltag gehören. Noch gibt es viele Herausforderungen im Bereich des autonomen Fliegens, etwa die Sicherheit der UAVs. Die Fragen, die dabei geklärt werden müssen, gleichen denen, die sich bei autonom fahrenden Autos stellen. Zum Beispiel, nach welchen Kriterien das System Entscheidungen trifft, wenn eine gefährliche Situation eintritt.
Der Luftfahrzeughersteller Airbus hat 2010 die Open-Innovation-Initiative Sagitta gestartet. Ziel des Projektes ist es, in Zusammenarbeit zwischen Industrie und Forschungsinstituten verschiedene Technologien zu entwickeln und mithilfe des Sagitta Demonstrators auf ihre Anwendbarkeit im realen Flug zu testen. Die Ergebnisse werden veröffentlicht. Vier Lehrstühle der TUM sowie eine Focus Group des Institute of Advanced Study (IAS) sind an dem Projekt beteiligt.

Geformt wie eine Pfeilspitze

,,Bei Sagitta handelt sich um einen Nurflügler, das heißt, Rumpf und Flügel gehen direkt ineinander über und bilden eine Einheit", erklärt Prof. Mirko Hornung , Leiter des Lehrstuhls für Luftfahrtsysteme an der TUM. Sagitta bedeutet auf lateinisch Pfeil. Von oben betrachtet ähnelt das UAV einer Pfeilspitze. Ziel dieses Designs ist es, die Radarsignatur möglichst gering zu halten.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Lehrstuhls für Luftfahrsysteme waren für die Untersuchung der Wechselwirkungen der einzelnen Komponenten miteinander und somit den Entwurf des Gesamtkonzepts verantwortlich. Zudem entwickelten sie ein innovatives Steuerungskonzept für Sagitta. Das Team erarbeitete ein neuartiges Klappensystem zur Steuerung und Stabilisierung des UAV. ,,In unserem Konzept nutzen wir unter anderem bestimmte Strömungseffekte auf der Innenseite, um die Klappen effizienter und damit kleiner zu machen", erklärt Hornung. Auch der Schubstrahl des Triebwerks wird für die Steuerung genutzt.

Untersuchungen im Windkanal

Wie wird sich Sagitta im Flug verhalten, wie reagiert das UAV zum Beispiel auf Windböen und wie groß ist der Luftwiderstand, wenn die Klappen ausgeschlagen werden oder das Fahrwerk ausfährt? Diese Daten sind essentiell, um Flugsteuerungsund Flugregelungssysteme entwickeln zu können. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Lehrstuhls für Aerodynamik und Strömungsmechanik haben zwei Modelle von Sagitta im Maßstab eins zu drei im Windkanal vermessen. Ergänzt wurden die Windkanalversuche durch Strömungssimulationen.
,,Für eine derartige Konfiguration gab es bisher noch sehr wenige aerodynamische Untersuchungen", erklärt Prof. Christian Breitsamter. Sagitta besitzt eine geringe Spannweite, wobei die Flügelvorderkanten stark ,,gepfeilt" sind. An diesen Flügeln treten besondere Strömungsphänomene wie Vorderkantenwirbelsysteme auf. Es ist daher sehr wichtig zu testen, wie sich diese auf das flugphysikalische Verhalten auswirken.

Innovatives Flugregelungskonzept

Eine große Herausforderung besteht darin, die Sicherheit der UAVs zu gewährleisten. Wenn unvorhergesehene Störungen auftreten, etwa Systemfehler oder Windböen und Turbulenzen, muss das System diese abfangen, da kein Pilot an Bord ist, der direkt auf die kritische Situation reagieren kann. Die TUM-IAS Focus Group ,,Aircraft Stability and Control" hat hierfür gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Flugsystemdynamik ein innovatives Flugsteuerungskonzept entwickelt.
Die Ingenieurinnen und Ingenieure mussten bei der Auslegung des Flugsteuerungssystems berücksichtigen, dass sich das UAV in der Realität deutlich anders verhalten wird als in den Simulationen. ,,Wir haben das Flugregelungssystem so ausgelegt, dass es ein möglichst breites Band dieser multiplen Unsicherheiten abfangen kann", erklärt Prof. Matthias Heller , Leiter der Focus Group ,,Aircraft Stability and Control" am Institute for Advanced Study (IAS) und dem Lehrstuhl für Flugsystemdynamik. Die Tests verliefen erfolgreich, Sagitta flog in den beiden Flügen vollautomatisch.

Glatt und flexibel

Wenn ein Vogel seine Richtung ändert oder Luftströmungen für seinen Auftrieb nutzt, verändert er fast mühelos die Position seiner Flügel, sein Flug bleibt lautlos. Bei einem Flugzeug sind für diesen Zweck Steuerruder und Klappen als bewegliche Teile an der Außenhülle verbaut. Wenn sie ihre Position verändern, entstehen Spalten und Unebenheiten. ,,An diesen Stellen kann die Luft das Material nicht mehr glatt umströmen", erklärt Prof. Horst Baier vom Lehrstuhl für Leichtbau. Für das Flugverhalten ist dies ineffizient und es entsteht Lärm. ,,Unser Ziel ist es, die Steuerflächen möglichst so glatt und flexibel zu machen wie Vogelflügel."
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Lehrstuhls haben daher neue Materialien und Bauweisen entwickelt. Weiche Kunststoffe garantieren dabei eine maximale Flexibilität. Sie werden mit festen Fasern verstärkt, die gewährleisten, dass das Flugzeug den großen Kräften, die auf es wirken, standhalten kann. Das Team hat die Werkstoffe bereits im Computermodell und im Windkanal getestet. Wenn Sagitta das nächste Mal abhebt, sollen sie auch im Flug geprüft werden.

Über das Projekt

An der Open-Initiative ,,Sagitta" von Airbus Defence and Space beteiligten sich mehrere Forschungsinstitute des DLR, der Universität der Bundeswehr München, der Technischen Hochschule Ingolstadt sowie der Technischen Universitäten Chemnitz und München.