Bremspedal fürs Krebswachstum

Kieler Wissenschaftler des Exzellenzclusters Entzündungsforschung trägt zur Aufklärung der Funktion eines unbekannten Immunrezeptors bei Darmkrebs bei


Intestinale Epithelzellen, also die Zellen der inneren Darmschleimhaut, schützen das Körperinnere vor potentiell schädlichen äußeren Einflüssen. Zu diesem Schutzprogramm tragen auch so genannte NOD-like-Rezeptoren (NLR) im Zellinneren bei. Sie erkennen Bakterienstrukturen und leiten eine Immunantwort ein. Eine gestörte Erkennung durch die Rezeptoren trägt zur Entstehung von Entzündungskrankheiten bei. Seit längerer Zeit beschäftigt sich daher Professor Philip Rosenstiel vom Exzellenzcluster Entzündungsforschung mit der Erforschung dieser ‘Alarmanlage’ von Darmepithelzellen. In Kooperation mit einer amerikanischen Arbeitsgruppe hat er aktuell einen bisher kaum erforschten Vertreter der NLR-Familie, den sogenannten NLRC3-Rezeptor, eingehend untersucht und dabei festgestellt: ‘Der NLRC3-Rezeptor steuert die Regeneration und Proliferation von Zellen als eine Art Bremspedal. Fehlt er, gibt es mehr Entzündung und Krebswachstum’, sagt der Kieler Professor für Molekulare Medizin. Vermittelt werde das über einen Stoffwechsel-Signalweg (mTOR-Kinase-Signalweg). Die Ergebnisse wurden jetzt im renommierten Forschungsmagazin Nature vorab online veröffentlicht.
In der Arbeitsgruppe von Professor Philip Rosenstiel am Institut für Klinische Molekularbiologie an der Medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) werden diverse Knock-out-Mäuse entwickelt und auf ihre Funktion für die Darmbarriere untersucht. Darunter auch solche, denen bestimmte NOD-like-Rezeptoren (NLR) fehlen. So auch im Fall der jetzt in Nature veröffentlichten Studie zum NLRC3-Rezeptor. Die Knockout-Maus ohne NLRC3 reagierte überempfindlich im Hinblick auf Darmentzündung und Tumorwachstum. ‘Wir finden eine unkontrollierte Zellproliferation. In verschiedenen Darmkrebsmodellen führt das dazu, dass mehr Tumoren entstehen als bei Tieren mit dem Rezeptor’, erklärt Philip Rosenstiel. Das hängt mit einem Stoffwechselsignalweg zusammen, der bei aktivem Rezeptor blockiert wird. ‘Der mTOR-Signalweg vermittelt im Wesentlichen nährstoffabhängig Zellteilung und Zellwachstum. Diese Aktivität wird durch Anwesenheit von NLRC3 gebremst.’
Unklar ist bisher noch, ob der Rezeptor zuvor ein Signal empfangen hat, um diese bremsende Wirkung auszuüben, und falls ja, welches das ist. Durch die Nähe zu den Bakterien im Darm, ist eine Interaktion mit diesen naheliegend. ‘Wir können schon davon ausgehen, dass dieser Rezeptor irgendetwas erkennt, was in diesem Ökosystem vor sich geht. Wir forschen hier weiter und interessieren uns dafür, welche Stoffwechselprodukte der Bakterien auf den Rezeptor wirken und unter welchen Bedingungen der NLRC3-Rezeptor blockiert wird.’
Originalpublikation:
Karki R et al.: NLRC3 is an inhibitory sensor of PI3K?mTOR pathways in cancer. Nature 2016, published online December 12, 2016.

Philip Rosenstiel, Exzellenzcluster Entzündungsforschung, Professor für Molekulare Medizin an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und Direktor des Instituts für Klinischen Molekularbiologie, Medizinische Fakultät der CAU und Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel. Foto: Dr. Tebke Böschen/Uni Kiel.