
Mit der Agenda 2030 hat sich die Weltgemeinschaft 17 Ziele - die Sustainable Development Goals (SDGs) - für eine nachhaltige Entwicklung gesetzt. Um das SDG 7, bezahlbare und saubere Energie, zu erreichen, spielen Solarzellen eine entscheidende Rolle, denn sie wandeln Sonnenlicht in saubere Energie um. Allein 2023 wurden in Deutschland laut Bundesnetzagentur Solarzellen mit einer Gesamtleistung von 14,1 Gigawatt installiert - doppelt so viel wie im Jahr zuvor. Damit waren im selben Jahr in Deutschland Solarzellen mit einer Gesamtleistung von 81,7 Gigawatt installiert, was einem Beitrag zum erneuerbaren Strommix von fast 50 Prozent (47,8) entspricht.
,,Die nutzbare Fläche für die Photovoltaik auf der Erde ist jedoch oft begrenzt verfügbar", erklärt Chris Yannic Bohlemann, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Grundlagen von Energiematerialien der TU Ilmenau und Erstautor der Studie: ,,Daher ist es wichtig, das Sonnenlicht mit einer möglichst hohen Effizienz in elektrische Leistung umzuwandeln, zumal bereits heute die Kosten von einzelnen Solarmodulen nur noch einen Bruchteil der Kosten von Freiluft-Solarparks ausmachen."
Grundsätzlich lässt sich Strom aus Photovoltaik mit verschiedenen halbleitenden Materialien erzeugen. Für fast alle auf der Erde genutzten Solarmodule wird derzeit das Halbleitermaterial Silizium verwendet. ,,Mit aktuell rund 25 Prozent bei industriell gefertigten Modulen ist der theoretisch maximale Wirkungsgrad von Silizium-basierten Solarmodulen von etwa 30 Prozent jedoch fast erreicht, und die Möglichkeiten, die Effizienz von konventionellen Siliziumsolarzellen zu verbessern, stoßen an ihre naturgegebenen Grenzen", so Bohlemann.
Wissenschaftler*innen weltweit forschen daher intensiv daran, Silizium mit anderen Halbleiter-Materialien wie zum Beispiel Materialien aus der Gruppe der III-V-Halbleiter in so genannten Mehrfach-Absorberbzw. Tandemsolarzellen zu kombinieren, in denen das Licht durch mehrere übereinander gestapelte Halbleitermaterialien besser verwertet wird. So können - mit konzentriertem Sonnenlicht - schon jetzt Wirkungsgrade von fast 50 Prozent erreicht werden. ,,Allerdings sind III-V-Tandemsolarzellen im Vergleich zu rein Silizium-basierten Zellen noch sehr teuer. III-V-Halbleiterstrukturen in Kombination mit Silizium wären der Königsweg - hoher Wirkungsgrad bei niedrigen Kosten. Die Schwierigkeit ergibt sich beim Aufbringen, wo sich häufig sogenannte Fehlstellen im Halbleiter bilden, die die Effizienz verringern", erklärt Bohlemann.
Insgesamt fünf Jahre lang beschäftigten sich die Forschenden der TU Ilmenau daher mit internationalen Partnern damit, wie sich solche Fehlstellen beim Wachstum von III-V-Halbleiterstrukturen auf günstigem Silizium künftig vermeiden lassen. Dabei kombinierten sie verschiedenste experimentelle Methoden mit theoretischen Erkenntnissen und nutzten ein eigenes Probentransfersystem. So konnten sie die Oberflächen mit einem Rastertunnelmikroskop ohne jegliche Verunreinigungen auf atomarer Skala untersuchen.
Das heißt, wir können an verschiedenen Punkten des Wachstums der III-V Halbleitermaterialen auf Silizium quasi ,auf Pause drücken’ und so als weltweit einzige Forschungsgruppe genau analysieren, was bei diesen Wachstumsprozessen passiert.
Dafür setzten die Wissenschaftler*innen in experimentellen Untersuchungen unter anderem Infrarotspektroskopie ein und konnten so zunächst Wasserstoff und in weiteren Messungen auch Silizium und Arsen auf der Oberfläche nachweisen, die gemeinsam eine ’gemischte Struktur’ bildeten. Auf Basis dieser Ergebnisse führten die Wissenschaftler*innen schließlich Simulationen durch, um zu ermitteln, welche chemische Zusammensetzung dieser Elemente an der Oberfläche vorkommen können. Chris Yannic Bohlemann: ,,Dabei fanden wir mehrere chemisch stabile Konfigurationen, von denen eine völlig neu war. Diese neue Konfiguration passte sehr gut zu den von uns beobachteten atomaren Bildern und stimmte gut mit den experimentellen Ergebnissen überein."
Mit Hilfe dieser Erkenntnisse, so die Forschenden, soll es in Zukunft möglich sein, Fehlstellen beim Wachstum von III-V Halbleitern auf Silizium zu minimieren und damit die Effizienz von Silizium-basierten Tandemsolarzellen zu steigern: ,,Ziel ist es nun, dass künftig zuverlässige Tandemsolarzellen mit hoher Effizienz mit der bereits weit entwickelten und kostengünstigen Siliziumphotovoltaik kombiniert werden können. Auch andere optoelektronische III-V-Bauelemente mit höchsten Leistungsmerkmalen wie zum Beispiel Leuchtdioden könnten künftig auf Siliziumsubstraten hergestellt werden", erklärt Bohlemann:
Dies würde den Rohstoffbedarf seltener Materialien wie Indium reduzieren und die Produktion noch günstiger machen.
Die Forschungsergebnisse des interdisziplinären Teams unter Leitung von Thomas Hannappel entstanden im Rahmen mehrerer, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderter Projekte und in langjähriger Kooperation mit dem Fachgebiet Theoretische Physik I unter Leitung von Erich Runge sowie internationalen Partnern wie Dr. Oleksandr Romanyuk von der Akademie der Wissenschaften in Tschechien.
Originalpublikation:
doi.org/10.1016/j.apsusc.2024.160879