Mehr Zufriedenheit mit weniger Arbeit

Wirtschaftswissens­chaftlerin stellt Studien-Ergebnisse zum Vier-Tage-Pilotprojekt vor

ÖLandespressekonferenz in Düsseldorf zur Vorstellung der Studie der Universität
ÖLandespressekonferenz in Düsseldorf zur Vorstellung der Studie der Universität Münster zur Vier-Tage-Woche (v.l.: Harald Urban (Teilnehmer der Studie), Carsten Meier (Intraprenör), Julia Backmann, Dorothea Hülsmeier (Deutsche Presseagentur dpa) © Uni MS - Brigitte Heeke
Das Wohlbefinden steigt, wenn die Arbeitszeit sinkt - bei gleichbleibender oder sogar leicht steigender Produktivität. Das belegt eine deutschlandweite Studie der Universität Münster unter der wissenschaftlichen Leitung von Julia Backmann und Co-Leitung von Felix Hoch. "Die Vier-Tage-Woche führte zu einer signifikant positiven Veränderung der Lebenszufriedenheit, die sich hauptsächlich durch die zusätzliche Freizeit ergab", betont die Forscherin. Vor dem Pilotprojekt äußerten demnach 64 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Wunsch, mehr Zeit mit der Familie zu verbringen. Nach der Einführung der Vier-Tage-Woche sei dieser Wert auf 50 Prozent gesunken.

Seit Anfang 2024 nahmen 45 Organisationen aus verschiedenen Branchen in Deutschland an einem sechsmonatigen Pilotprojekt der Berliner Unternehmensberatung Intraprenör und der Organisation "4 Day Week Global" zur Einführung der Vier-Tage-Woche teil. Am 18. Oktober (Freitag) stellte die Wirtschaftswissenschaftlerin mit Carsten Meier, Co-Initiator des Pilotprojekts und Geschäftsführer von Intraprenör, die ersten wissenschaftlichen Ergebnisse vor.

Die Organisationen versprachen sich von der Teilnahme an der Studie Antworten auf die Fragen, ob die Vier-Tage-Woche eine Steigerung der Arbeitgeberattraktivität, eine bessere Mitarbeitergesundheit und eine tragfähige Zukunftsausrichtung zur Folge haben kann und wie sich die Veränderungen auf die Produktivität auswirken. "Zwar zeigten sich leichte Steigerungen in den finanziellen Leistungskennzahlen wie Umsatz und Gewinn, diese unterschieden sich jedoch nicht signifikant vom Vorjahr. Dennoch deuten die gleichbleibenden Kennzahlen trotz reduzierter Arbeitszeit auf mögliche Produktivitätsgewinne hin", erläutert Julia Backmann. Selbstauskünfte der Geschäftsführung und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stützten die Annahme, dass sich die Produktivität während des Pilotprojekts verbesserte. "Tendenziell haben beide Seiten einen Produktivitätsanstieg wahrgenommen."

Die reduzierte Arbeitszeit wurde nicht durch erhöhte Überstunden ausgeglichen. Stattdessen nahmen die Belegschaften verschiedene Anpassungen vor. Jeweils über 60 Prozent nannte die Reduzierung von Ablenkungen und die Optimierung von Prozessen, gut die Hälfte der Unternehmen veränderte die Meetingkultur, indem sie beispielsweise die Frequenz und die Länge der internen Treffen verringerte. Ein Viertel der Befragten führte neue digitale Werkzeuge ein, um die Effizienz weiter zu steigern. "Das Potenzial der verkürzten Arbeitszeit scheint unter komplizierten Prozessen, Meetings und geringer Digitalisierung zu schlummern", erläutert Co-Initiator Carsten Meier. "Unternehmen müssen in die notwendige Veränderungsarbeit investieren, um eine Vier-Tage-Woche herauszubekommen."

Die Mitarbeiter berichteten von signifikanten Verbesserungen ihrer mentalen und körperlichen Gesundheit, unterstreicht Julia Backmann. Die Beschäftigten berichteten von weniger Stress und Burnout-Symptomen. Physiologische Daten wurden in der Studie zudem mit Fitness-Trackern gemessen. Die Einführung der Vier-Tage-Woche führte demnach zu einem Anstieg der täglichen Aktivitätslevel, gemessen an Schrittzahlen und körperlicher Bewegung. Zudem schliefen die Testpersonen der Vier-Tage-Woche im Durchschnitt 38 Minuten länger pro Woche als die Kontrollgruppe. Die Werte - gemessen in Stressminuten pro Tag über eine Smartwatch - fielen in der Vier-Tage-Woche-Gruppe niedriger aus als bei der Kontrollgruppe.

Die Organisationsdaten zeigen zwar einen leichten Rückgang der monatlichen Krankentage, der Unterschied war im Vergleich zu 2023 statistisch jedoch nicht signifikant. Anders als bei ähnlichen Studien im Ausland fand das Team der Universität Münster keine Hinweise darauf, dass die Vier-Tage-Woche das umweltbewusste Verhalten oder den Ökologischen Fußabdruck positiv beeinflusst. Beispielsweise zeigt sich eher, dass die Teilnehmer häufiger Inlandsreisen unternahmen als zuvor.

Die Ergebnisse legen nahe, dass die Vier-Tage-Woche hierzulande nicht mit dem Projekt endet. Mehr als 70 Prozent der Organisationen gaben an, sie über die sechsmonatige Pilotphase hinaus fortsetzen zu wollen, entweder durch Verlängerung der Testphase oder durch eine vollständige Implementierung.

Methode


Die Forschung umfasste drei Wellen der Datenerhebung. Das Forschungsteam führte Interviews sowie quantitative Befragungen der Mitarbeitenden und Organisationen durch und sammelten physiologische Daten, beispielsweise von Smartwatch-Trackern und durch den Nachweis des Stresshormons Cortisol in Haarproben. Organisationskennzahlen rundeten das Gesamtbild ab. Daten von Kontrollgruppen innerhalb der Organisationen, die die Vier-Tage-Woche nicht vollständig eingeführt hatten, wurden ebenfalls erhoben.

Die Organisationen entschieden selbst, wie sie die Vier-Tage-Woche umsetzen wollten. 60 Prozent von ihnen wendeten sie auf die gesamte Belegschaft an. Größere Organisationen führten die Vier-Tage-Woche nur für bestimmte Beschäftigte oder Teams ein. Die Modelle unterschieden sich im Umfang der Arbeitszeitreduzierung und in der Flexibilität der freien Tage. Die Mehrheit (85 Prozent) gewährte einen freien Tag pro Woche an einem festgelegten oder rotierenden Tag.

Die teilnehmenden Organisationen deckten eine Vielzahl von Branchen ab, darunter Beratung und Dienstleistungen, Fertigung, soziale Dienste, IT und Medien. Die Größe reichte von Firmen mit weniger als zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (15 Prozent) bis hin zu Groß-Organisationen mit mehr als 250 Mitarbeitern (14 Prozent). Der Großteil der Organisationen bestand aus kleinen (10 bis 49 Mitarbeiter) und mittelgroßen (50 bis 249 Mitarbeiter) Organisationen. Die Organisationen konnten bis zu 15 digitale Workshops besuchen, zum Beispiel zur Identifizierung des passenden Modells und Optimierung von Arbeitsprozessen. Zusätzlich konnten sie an digitalen und persönlichen Netzwerktreffen teilnehmen, um Erfahrungen und Erkenntnisse auszutauschen.

Während 51 Prozent der Organisationen den offiziellen Starttermin am 1. Februar 2024 einhielten, begannen andere zwischen Januar und Juni. Im Oktober 2024 haben 41 Organisationen die Testphase entweder abgeschlossen oder stehen kurz davor. Von den ursprünglich 45 Organisationen brachen zwei ihre Teilnahme aufgrund wirtschaftlicher Herausforderungen oder mangelnder interner Unterstützung für die Vier-Tage-Woche ab - beides größere Organisationen.


Hintergrund

In mehreren Ländern, beispielsweise in den USA, Portugal und Großbritannien, gab es Experimente und Projekte zur Vier-Tage-Woche. In Partnerschaft mit der Non-Profit-Organisation "4 Day Week Global" organisierte das Berliner Beratungsunternehmen Intraprenör die erste groß angelegte Pilotstudie zur Vier-Tage-Woche für Deutschland. Bei der Pilotstudie handelte es sich um einen wissenschaftlich und organisatorisch begleiteten, sechsmonatigen Test der Vier-Tage-Woche in Organisationen. Dabei lag der Fokus auf der Erprobung einer reduzierten Arbeitszeit bei gleichbleibendem Gehalt und gleichbleibender Produktivität.

Julia Backmann ist Lehrstuhlinhaberin für die Transformation der Arbeitswelt, Co-Direktorin des Centers for Business Transformation an der Universität Münster und wissenschaftliche Leiterin der Pilotstudie zur Vier-Tage-Woche. Dr. Felix Hoch ist akademischer Rat am Lehrstuhl für die Transformation der Arbeitswelt der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster sowie wissenschaftlicher Co-Leiter der Pilotstudie zur Vier-Tage-Woche. Carsten Meier ist Managing Partner und Co-Founder der Unternehmensberatung Intraprenör sowie Co-Initiator der Pilotstudie zur Vier-Tage-Woche in Deutschland.