Der Mathematiker und Philosoph Friedrich Ludwig Gottlob Frege (*1848) hat Tabea Rohr von der Universität Jena seit ihrem Studium begleitet und fasziniert. Daher plant die neue Juniorprofessorin für Philosophie mit Schwerpunkt Logik (mit Tenure Track), Freges 100. Todestag im kommenden Jahr auch mit einer Tagung in Jena zu würdigen. Dass dies bereits jetzt, in ihrem ersten Semester als Professorin der Universität Jena möglich ist, liegt auch daran, dass Tabea Rohr die Jenaer Universität seit langem kennt.
Zu Frege kam Tabea Rohr, die Physik und Mathematik als Leistungskurse am Goethe-Gymnasium in Demmin (Mecklenburg-Vorpommern) gewählt hatte, bereits im ersten Semester ihres Philosophiestudiums an der Friedrich-Schiller-Universität. Bei ihrer damals beginnenden und bis heute andauernden Suche nach Klarheit in der Philosophie stieß sie auf diesen ,,konsequenten, störrischen Denker", den Vater der analytischen Philosophie. Über ,,Freges Begriff der Logik" wurde sie 2018 in Jena promoviert. Sein Denkvermögen und seine Versuche, möglichst klar zu formulieren, spiegeln auch das Selbstverständnis der neuen Philosophie-Professorin wider. ,,Mein Ziel ist es immer, dass Philosophie verständlich ist", sagt Rohr. Dazu gehört für sie eine klare Sprache, denn Sprechen bestimmt das Denken. Die ursprüngliche Idee der Analytischen Philosophie sei es, ,,gute Philosophie in einfacher Sprache zu präsentieren".
Logik hilft, schlechte Argumente auszuschließen
Das will die 35-jährige verheiratete Mutter eines zehnjährigen Sohnes auch ihren Studierenden vermitteln. Diese sollen ein Gefühl dafür bekommen, was Überhaupt Philosophie ist. Dass es dabei um den Austausch von Argumenten und nicht um Erzählen von Geschichten gehe. Daher ist für Tabea Rohr die Logik so wichtig. ,,Weil wir in der Philosophie argumentieren müssen und die Logik uns hilft, schlechte Argumente von guten zu unterscheiden." Vielleicht ist dies auch ein Grund dafür, dass die junge Wissenschaftlerin gerne Philosophie mit Mathematik verknüpft.
Die Philosophie der Mathematik ist ein Thema, zu dem sie seit langem forscht und das Rohr auch in Jena weiterverfolgen wird. Eine einfache Gleichung wie 2+2=4 beinhaltet aus philosophischer Sicht viele Ansatzpunkte für Fragen. Woher wissen wir, dass diese Gleichung so ist und warum ist dieses Wissen scheinbar so sicher? Wovon handelt diese Aussage? Von Zahlen? Aber was genau sind Zahlen? Sind das unabhängig von uns existierende Dinge’, benennt Rohr einige Beispiele.
Politische und soziale Kontexte beeinflussen die Mathematik
Während ihrer Jahre als Gastwissenschaftlerin und Postdoc in Nancy und Paris ist sie solchen Fragen auch aus Mathematik-historischer Perspektive nachgegangen. Sie hat sich damit beschäftigt, dass zu verschiedenen Zeiten unterschiedliche Beweismethoden in der Mathematik bevorzugt wurden. Im Lichte dieses Interesses hat sie sich konkret mit französischen und deutschen Geometern des 19. Jahrhunderts beschäftigt. Denn damals gab es einen Methodenstreit zwischen Analytikern - deren Beweise nur aus abstrakten Formeln bestehenund Synthetikern - die sich dabei auch auf die Anschauung verließen, indem sie z. B. in ihren Beweisen auf Figuren Bezug nahmen.
In einem anderen Forschungsprojekt ging es um die Frage, wie solche Methodenfragen in der Mathematik von politischen und sozialen Kontexten geprägt sind. Tabea Rohr hat konkret darüber geforscht, wie in der Französischen Revolution der synthetische Stil, Geometrie zu betreiben, wieder modern wurde, obwohl in den Jahrzehnten zuvor analytische Geometrie als das einzig Wahre galt. Mit solchen Methodenfragen in der Mathematik wird sie sich auch in Jena beschäftigen. Aktuell erforscht sie vor allem das Verhältnis von David Hilbert und Henri Poincaré - ein deutscher und ein französischer Mathematiker, die beide um 1900 als die besten Mathematiker in ihrem Land galten.
Tabea Rohr empfindet es als großes Glück, so schnell eine Professur in Deutschland gefunden zu haben. ,,Anders als in Frankreich bin ich hier mit meinen Themensetzungen eine absolute Exotin."