Hochfeste Dünngläser durch ’Materialverjüngung’

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Glaschemiker wollen ein Verfahren zur thermischen Härtung von sehr dünnem Glas w
Glaschemiker wollen ein Verfahren zur thermischen Härtung von sehr dünnem Glas weiterentwickeln. Foto: Jens Meyer (Universität Jena)

Glasexperte Lothar Wondraczek erhält "ERC Proof of Concept Grant" des Europäischen Forschungsrates

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Materialforscher Prof. Dr.-Ing. Lothar Wondraczek erhält den ,,ERC Proof of Concept Grant". Foto: Anne Günther (Universität Jena)

Um die Festigkeit von Glas zu erhöhen und somit eine größere Haltbar­keit zu garantieren, spielt in der Industrie seit Jahrzehnten der Prozess des thermischen Vor­spannens eine große Rolle. Mit seiner Hilfe werden herkömmliche Glasscheiben in ein­facher und hocheffizienter Weise verfestigt, wodurch zahlreiche heute selbstverständliche Glasprodukte Überhaupt erst möglich wurden: thermisch vorgespannte Gläser finden sich als Abdeckgläser auf Solarmodulen, Sicherheitsverscheibungen oder auch in Duschtrenn­wänden. So ermöglicht das etablierte Verfahren beispielsweise die Fertigung von Automo­bilscheiben, die bei einem Unfall oder anderen Beschädigungen kontrolliert in kleine Krü­mel zerfallen und so am Unfall beteiligte Personen vor Verletzungen durch scharfkantige Bruchstücke schützen sollen.

Allerdings unterliegt das thermische Vorspannen einer ganzen Reihe technologischer Grenzen. Insbesondere ist es nur für Glasprodukte mit einer gewissen Mindestwandstärke anwendbar. Dies sind bei Glasscheiben oder Substraten etwa zwei Millimeter. Für eine Vielzahl moderner Glasprodukte spielen heute jedoch oft viel geringere Glasdicken eine wichtige Rolle. Diese ermöglichen nicht nur eine deutliche Materialund Gewichtser­spar­nis, sondern sind zudem biegoder sogar rollbar. Materialwissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena haben hierfür nun ein Verfahren weiterentwickelt, das die Limi­tierung des thermischen Vorspannens auf Glasdicken im Millimeterbereich beseitigen könnte und den Prozess zudem auf ganz neue Glastypen anwendbar macht. Der Europäi­sche Forschungsrat unterstützt den Jenaer Glasexperten Lothar Wondraczek nun bei der weiteren Entwicklung des Prozesses mit dem renommierten ,,ERC Proof of Concept Grant".

Gradient sorgt für Spannung

,,Um das Glas thermisch vorzuspannen, wird es in der Regel zunächst auf über 600 Grad Celsius erhitzt und dann abrupt - meist durch das Anblasen kalter Luft - abgekühlt", er­klärt Prof. Wondraczek. ,,Das erzeugt einen deutlichen Unterschied in der Abkühlge­schwin­digkeit zwischen der Oberfläche und dem Inneren des Körpers." Dieser Gradient führt in der Folge zu einer bleibenden Oberflächendruckspannung, der eine Zugspannung im In­ne­ren entgegengesetzt ist. Das Zusammenspiel beider Spannungen führt zu den speziellen Eigenschaften thermisch vorgespannter Gläser.

Entscheidend für den Prozess ist, wie schnell die Wärme dem erhitzten Glas über seine Oberfläche entzogen werden kann. Dies wiederum hängt von zwei Faktoren ab: zum einen von der Wärmeleitfähigkeit des Glases, zum anderen vom Wärmeübergangskoeffizienten - also der Geschwindigkeit, mit der die Wärme in die Umgebung abgeleitet wird. Während erstere unmittelbar an die chemische Zusammensetzung des Materials gekoppelt ist und nicht verändert werden kann, ohne sich vom herkömmlichen Glas zu entfernen, lässt sich die Geschwindigkeit, mit der das Glas abkühlt, durchaus beeinflussen.

Schnelleres Abkühlen dünner Gläser

Genau auf diese Größe konzentrierten sich die Jenaer Materialwissenschaftler, um das thermische Vorspannen auch für dünne Gläser anwendbar zu machen. ,,Kühlt man Glas, das eine Dicke von weniger als zwei Millimeter aufweist, mit Luft, so wird die Wärme im Inneren genauso schnell verteilt wie abgeführt - es entsteht also kein Gradient und somit keine Spannung", erklärt Wondraczek die Herausforderung. ,,Deshalb haben wir einen Vor­spannprozess entwickelt, bei dem das Glas gerade nicht an Luft, sondern in einem flüssi­gen Kühlmedium vorgespannt wird." Eine Herausforderung dabei war es, geeignete Kühl­mittel zu finden, die bereits nahe der Raumtemperatur flüssig sind, jedoch selbst bei Tem­peraturen deutlich über 800 Grad Celsius noch nicht verdampfen.

Auf diese Weise lässt sich das thermische Vorspannen auch auf besonders dünne und auf unkonventionell geformte Gläser erweitern. ,,In Vorstudien haben wir zeigen können, dass das Verfahren auch in der Breite anwendbar ist", erklärt der Glasspezialist der Universität Jena. ,,Deshalb wollen wir es nun in die Praxis Überführen." Zum einen könnten so aufwen­digere, teurere und umweltschädlichere Methoden zur Verbesserung der Festigkeit dünn­wandiger Gläser abgelöst werden. Zum anderen ließe sich der Einsatz von Glas als Mate­rial erweitern, beispielsweise in der Elektrotechnik oder auch bei einfachen Alltagsgegen­ständen wie Spezialverpackungen, medizinischen Injektoren oder Trinkhalmen.