Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nutzen künstliche Intelligenz heute in vielen Bereichen vor allem der Naturwissenschaften, etwa zur Datenoder Bildanalyse. In der theoretischen Mathematik kommt KI dagegen bislang kaum zum Einsatz. Geordie Williamson möchte das ändern. Bereits in seinen bisherigen Arbeiten hat er künstliche neuronale Netze genutzt, die die mathematische Intuition leiten können, indem sie auf bislang unerkannte Zusammenhänge in einer großen Anzahl mathematischer Objekte aufmerksam machen. Künstliche Intelligenz kann zudem helfen, Beispiele oder Gegenbeispiele zu erzeugen, die mathematische Vermutungen belegen oder widerlegen.
Dabei können künstliche neuronale Netze in großen Datensätzen zwar sehr effizient und effektiv Muster erkennen, von Mathematik verstehen sie aber nichts. Daher bleibt es Aufgabe von Mathematikerinnen und Mathematikern, unter den Vorschlägen der KI die sinnvollen herauszufiltern, zu interpretieren und im Falle neuer Vermutungen über mathematische Zusammenhänge, diese letztlich zu beweisen. Die Möglichkeiten, KI in der theoretischen Mathematik einzusetzen, möchte Geordie Williamson in der Kooperation, die der Max-Planck-Humboldt-Forschungspreis ermöglicht, optimieren. Zu diesem Zweck wird er eng mit Forscherinnen und Forschern der Universität Bonn sowie des Bonner Max-Planck-Instituts für Mathematik kooperieren und sich dort auch zweimal für jeweils mehrere Monate aufhalten.
Catharina Stroppel vom Exzellenzcluster Hausdorff Center for Mathematics (HCM) und vom Mathematischen Institut der Universität Bonn ist künftige Gastgeberin für Prof. Williamson. Das gemeinsame Projekt lautet ,,Computation and AI of mathematical discovery" ÜBerechnungen und KI zum mathematischen Erkenntnisgewinn). ,,Die Kooperation ermöglicht uns, Forschung in der theoretischen Mathematik geleitet durch Künstliche Intelligenz voranzutreiben", sagt Catharina Stroppel. KI soll helfen, neue Strukturen in der Mathematik zu erkennen, Voraussagen zu machen und mathematische Vermutungen aufstellen zu können, sagt die Wissenschaftlerin, die sich auf die Zusammenarbeit mit dem Preisträger freut. ,,Nach Bonn wird viel Know-how im Bereich Computeralgebra und Programmierung kommen - und wir werden unsere mathematische Expertise in das Projekt geben."
Eine Verbindung zwischen Zählbarem und Geometrie
Die bisherigen Forschungsarbeiten von Geordie Williamson zeichneten sich unter anderem dadurch aus, dass er darin verschiedene Gebiete wie etwa die Kombinatorik und die Geometrie zusammengebracht hat. Die Kombinatorik lässt sich vereinfacht als der Teilbereich der Mathematik verstehen, der sich allem Zählbaren widmet; zu ihr gehört etwa die Graphentheorie und die diskrete Mathematik. In der Geometrie geht es um Objekte in Räumen, also etwa wie in der Schulmathematik um Geraden, Flächen und Körper. Beide Teilgebiete kommen in einem einfachen Beispiel zusammen, wenn es darum geht, die Schnittpunkte einer Kurve mit einer Fläche zu zählen.Geordie Williamson hat nun Wege eröffnet, Probleme aus der Kombinatorik mit Instrumenten der Geometrie zu lösen. Zu diesem Zweck musste er zunächst gewissermaßen eine gemeinsame mathematische Sprache der beiden Teilgebiete entwickeln, damit sich kombinatorische Probleme in der Geometrie bearbeiten lassen, Geometrie sich aber auch in Kombinatorik Übersetzen lässt. Mit diesem Ansatz hat Geordie Williamson verschiedene Vermutungen bewiesen oder widerlegt, mit denen sich Mathematikerinnen und Mathematiker lange intensiv, aber vergebens beschäftigt haben.
Mithilfe von KI Probleme der Knotentheorie lösen
Im Rahmen der Kooperation mit Forschenden der Universität Bonn und des Max-Planck-Instituts für Mathematik, die der Preis ermöglicht, wird Williamson, unterstützt von künstlicher Intelligenz, verschiedene mathematische Probleme angehen. Dazu gehört auch ein Problem aus der Knotentheorie. Vereinfacht lässt es sich so erklären, dass bei verknoteten Gebilden, etwa in einer Schnur, oft nicht zu erkennen ist, ob es sich um echte Knoten handelt. Das heißt: Bleibt der Knoten erhalten, wenn man an den Enden der Schnur zieht, oder löst er sich auf? Ein Ziel des Projekts ist, auf einfache Weise die für die Forschung uninteressanten Fälle zu ermitteln, bei denen sich der Knoten auflösen würde. So können die Forschenden diese Fälle schnell aussortieren und sich den echten Knoten widmen. Und KI soll sie dabei unterstützen und helfen, neue mathematische Einsicht zu erlangen.Zur Person
Geordie Williamson hat an der University of Sydney studiert und wurde 2008 an der Universität Freiburg promoviert. Anschließend forschte er zunächst bis 2011 an der Oxford University und leitete dann bis 2016 eine Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Mathematik in Bonn. Nach weiteren kürzeren Stationen am Exuzellenzcluster Hausdorff-Zentrum für Mathematik der Universität Bonn und am Institute for Advanced Study, Princeton, wurde er 2017 zum Professor an der University of Sydney berufen. Er leitet dort seit 2018 als Gründungsdirektor das Sydney Mathematical Research Institute. Geordie Williamson ist Fellow der britischen Royal Society und der australischen Akademie der Wissenschaften.Über den Preis
Die Max-Planck-Gesellschaft und die Alexander von Humboldt-Stiftung verleihen den mit 1,5 Millionen Euro dotierten Max-Planck-Humboldt-Forschungspreis an eine Forscherin oder einen Forscher aus dem Ausland. Die Auszeichnung wird durch 80.000 Euro als persönliches Preisgeld ergänzt. Im Fokus stehen Persönlichkeiten, deren Arbeiten sich durch herausragendes Zukunftspotenzial auszeichnen. So werden mit dem Preis besonders innovative im Ausland tätige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für zeitlich begrenzte Aufenthalte oder besonders innovative Forschungsprojekte an einer deutschen Hochschule oder Forschungseinrichtung gewonnen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert den Preis.Der Preis wird jährlich abwechselnd auf den Gebieten der Naturund Ingenieurwissenschaften, der Lebenswissenschaften und der Geistes-, Sozialund Humanwissenschaften vergeben.