Enzyklopädie zum NS-Völkermord an den Sinti und Roma in Europa

Hunderttausende Sinti und Roma wurden unter nationalsozialistischer Herrschaft in Deutschland und Europa verfolgt und ermordet. Das historische Wissen zu diesem Genozid wird derzeit unter Leitung der Forschungsstelle Antiziganismus der Universität Heidelberg in einer großangelegten Enzyklopädie zusammengeführt. Erste Beiträge dieser einzigartigen Wissensressource sollen nun online gestellt werden. Das neue Portal wird am 5. März 2024 in Berlin der öffentlichkeit präsentiert. Dazu lädt die Forschungsstelle gemeinsam mit der Stiftung Topographie des Terrors ein. Zu der Veranstaltung werden Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, und Botschafter Dr. Robert Klinke als Vertreter des Auswärtigen Amtes erwartet.

,,Ziel des NS-Staats und seiner Rassenideologie war es, die Minderheit der Sinti und Roma zu vernichten. Zu diesem Thema sind zwar in den vergangenen Jahrzehnten bedeutende Spezialstudien erschienen, aber das Wissen ist auch heute noch stark fragmentiert", erläutert Projektleiterin Dr. Karola Fings von der Forschungsstelle Antiziganismus. Das Online-Portal bietet Zugang zu Fachbeiträgen, die nicht nur alphabetisch sortiert, sondern auch verschiedenen Rubriken wie Tatorte, Lebenswege oder Nachwirkungen zugeordnet sind. Neben Fotografien umfasst die digitale Enzyklopädie auch eine interaktive Karte: Hier werden europaweit alle Tatorte, zu denen Informationen vorliegen, verzeichnet, darunter Konzentrationslager, aber auch Orte, an denen Massaker verübt wurden. Eine Chronologie gibt einen Überblick über alle relevanten Ereignisse von 1933 an.

Mehr als 90 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 25 Ländern arbeiten an der Enzyklopädie des NS-Volkermordes an den Sinti und Roma in Europa. Das im Sommer 2020 gestartete und auf fünf Jahre angelegte Projekt wird vom Auswärtigen Amt mit Mitteln in Höhe von 1,6 Millionen Euro gefördert und von verschiedenen Kooperationspartnern sowie einem wissenschaftlichen Beirat begleitet. Bis Ende 2025 soll die Enzyklopädie auf rund 1.000 Fachbeiträge anwachsen und einen Meilenstein für die Forschung und Bildungsarbeit darstellen. Mit der Präsentation am 5. März wird die auf Deutsch und Englisch angelegte Enzyklopädie zu dem auch als ,,Holocaust an den Sinti und Roma" oder als ,,Samudaripen" bezeichneten nationalsozialistischen Völkermord erstmals online und damit öffentlich sichtbar werden. Sie basiert technisch auf ,,Open Encyclopedia Systems" und wurde vom Center für Digitale Systeme (CeDiS) an der Freien Universität Berlin umgesetzt.

Eröffnet wird die Präsentation in Berlin mit einem Grußwort von Romani Rose, der auch Geschäftsführer des Dokumentationsund Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg ist, einem der Kooperationspartner des Projekts. Ebenfalls zur Begrüßung spricht Dr. Robert Klinke in seiner Funktion als Sonderbeauftragter des Auswärtigen Amtes für Beziehungen zu jüdischen Organisationen, Antisemitismusfragen, internationale Angelegenheiten der Sinti und Roma und Holocaust-Erinnerung. Dr. Karola Fings wird die Online-Enzyklopädie vorstellen, im Anschluss daran folgen ergänzende Beiträge von Michael Wildt und Privatdozentin Dr. Jane Weiß von der Humboldt-Universität zu Berlin; der Historiker und die Bildungsforscherin gehören dem wissenschaftlichen Beirat des Enzyklopädie-Projekts an. Dr. Andrea Riedle, Direktorin der Stiftung Topographie des Terrors, wird die Veranstaltung moderieren. Eine Teilnahme ist vor Ort mit Anmeldung unter  veranstaltungen@topographie.de  oder per Livestream möglich.

Die Forschungsstelle Antiziganismus wurde als europaweit erste und bislang einzige akademische Institution mit diesem inhaltlichen Schwerpunkt am Historischen Seminar der Universität Heidelberg etabliert. Seit 2017 wird dort zu Ursachen, Formen und Folgen des Antiziganismus in den europäischen Gesellschaften vom Mittelalter bis in die Gegenwart geforscht. Wissenschaftliche Leiterin ist die Heidelberger Osteuropahistorikerin Tanja Penter.

Vertreter der Medien sind am 5. März zur Teilnahme an der Veranstaltung im Berliner Dokumentationszentrum Topographie des Terrors, Niederkirchnerstraße 8, herzlich eingeladen; Beginn ist um 19 Uhr. Eine Anmeldung bis 1. März ist erforderlich per Mail an  presse@topographie.de  oder telefonisch unter der Nummer 030-254509-35.