Universitätsgesellschaft vergibt Förderpreise an wissenschaftliche Talente - drei Kurzporträts

Dr. Susanne Meinert
Frühkindliche Belastungen, etwa durch familiäre Konflikte oder Misshandlung, können Spuren im sich entwickelnden Gehirn hinterlassen und die seelische Gesundheit bis ins Erwachsenenalter prägen. Dr. Susanne Meinert forscht an der Schnittstelle von Gehirnforschung und Psychotherapie, um zu ergründen, wie psychische Erkrankungen wie Depressionen entstehen und das Gehirn verändern. "Wir wollen verstehen, was bei einer Erkrankung aus dem Gleichgewicht gerät und wie man therapeutisch ansetzen kann", erläutert die Psychologin. Ein besonderes Anliegen sei ihr die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. "Ich möchte psychische Erkrankungen frühzeitig erkennen, damit Kinder und Familien die Unterstützung bekommen, die sie brauchen."
Susanne Meinert leitet zu diesem Thema an der Medizinischen Fakultät eine Nachwuchsforschungsgruppe ("Transition Research in Affective Disorders"). Den Förderpreis der Universitätsgesellschaft erhält die 32-Jährige, die bereits an ihrer zweiten Promotion arbeitet, nicht zuletzt wegen ihrer Mitarbeit an einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten universitätsübergreifenden Forschungsverbund. Nominiert wurde sie von Udo Dannlowski vom Institut für translationale Psychiatrie.
Die Auszeichnung sei ein "bedeutender persönlicher Meilenstein", betont sie. Wichtiger sei ihr jedoch, dass sie ihre Forschung über die Fachwelt hinaus sichtbar mache. "Die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen braucht Aufmerksamkeit. Wissenschaft allein genügt nicht - sie muss auch gehört, gesehen und ernst genommen werden."
Dr. Karen Siegel
Die Transformation zur Nachhaltigkeit ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Was Nachhaltigkeit bedeutet, wird weltweit jedoch unterschiedlich definiert. "In Europa liegt der Fokus oft auf der Umwelt, während die soziale Komponente übersehen wird", sagt Karen Siegel vom Institut für Politikwissenschaft. Wer dominiert die Debatten und politischen Entscheidungen? Wer wird an den Rand gedrängt? Antworten auf diese Fragen sucht sie mit ihrer Nachwuchsgruppe "Transformation and Sustainability Governance in South American Bioeconomies". Am Beispiel Argentiniens, Brasiliens und Uruguays erforscht das internationale Team Möglichkeiten und Herausforderungen in der Nutzung von bio-basierten Ressourcen.
Bevor Karen Siegel 2020 nach Münster kam, lehrte und forschte sie in Edinburgh, Hongkong und Glasgow. Der Projektstart fiel mitten in den ersten Corona-Lockdown. "Das Team war über vier Länder verstreut, niemand von uns konnte wie geplant nach Münster ziehen", berichtet sie. Kurzerhand entwickelte sie ein virtuelles Betreuungskonzept und neue Formen der Kooperation. Ihre internationalen Netzwerke sind vielfältig, die Liste ihrer Publikationen ist lang und ihre Expertise ist inzwischen weltweit gefragt.
Thomas Dietz, der Karen Siegel für den Förderpreis nominiert hat, ist voll des Lobes: Ihre Arbeit setze neue Maßstäbe, schließe essenzielle Wissenslücken und trage aktiv zur Lösung drängender globaler Probleme bei. Mit dem Preisgeld möchte Karen Siegel, die 2014 an der University of Glasgow promovierte, unter anderem ihre neue Forschungsagenda weiterentwickeln, die sich ebenfalls mit einem hochaktuellen Thema befasst: die Umgestaltung des Ernährungssystems.
Dr. Daniel Kluger
Wie der Rhythmus der Atmung das Gehirn beeinflusst - dieses faszinierende Forschungsfeld hat Dr. Daniel Kluger an die europäische Spitze geführt. Als Leiter der Arbeitsgruppe "Brain, Body, and Behaviour" am Institut für Biomagnetismus und Biosignalanalyse verbindet der Psychologe Grundlagenforschung mit klinischer Relevanz: Er zeigt beispielsweise, wie bei Angststörungen oder Epilepsie die Kopplung von Atmung und Gehirn eine Schlüsselrolle spielt.
Mit modernen Methoden wie der Magnetenzephalographie (MEG) belegte Daniel Kluger, dass die Atmung neuronale Aktivitäten im Gehirn synchronisiert und unsere Wahrnehmung prägt. Damit wies er erstmals unterschiedliche Mechanismen der Atem-Hirn-Kopplung für periodische und aperiodische Aktivitäten nach - ein wichtiger Schritt zum Verständnis körperlicher Einflüsse auf das Gehirn. Dass dieser innovative Ansatz Zukunft hat, bestätigte auch der Europäische Forschungsrat (ERC): Das Gremium zeichnete Daniel Kluger im vergangenen Jahr mit einem "ERC-Starting-Grant" aus und stellte ihm 1,5 Millionen Euro für seine Forschung zur Verfügung. Das ERC-Projekt kombiniert diverse physiologische Signale, unter anderem die Aktivität von Lunge, Herz und Magen, mit hochauflösenden Methoden der Hirnforschung. Zudem engagiert sich Daniel Kluger in internationalen Fachgremien, als Gutachter und Organisator von Workshops.
"Dieser Preis ist eine großartige Anerkennung für meine Arbeitsgruppe und mich", betont Daniel Kluger, den der Neurowissenschaftler Joachim Groß nominiert hatte.
Autorinnen: Hanna Dieckmann, Julia Harth und Kathrin Kottke
Dieser Beitrag stammt aus der Unizeitung wissen