Die Universitäten Twente (UT) und Münster (WWU) pflegen seit vielen Jahren eine enge Partnerschaft. Ein Schwerpunkt, den die beiden Partner nun weiter vertiefen wollen, ist die Batterieforschung. Anlässlich der Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde zwischen den Städten Münster und Enschede am 21. September sind die beiden Hochschulspitzen sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusammengekommen, um über die inhaltliche Ausrichtung der Batterieforschung zu beraten. Im Interview mit Kathrin Kottke
schildern Mark Huijben vom "Twente Centre for Advanced Battery Technology" der UT ihre Zusammenarbeit und gemeinsamen Ziele.
Sie arbeiten bereits seit einigen Jahren auf dem Gebiet der Batterieforschung zusammen - wie ergänzen sich die WWU und UT?
Winter: Unsere beiden Teams decken gemeinsam den gesamten Wertschöpfungskreislauf von Batteriezellen und -systemen ab: von der Entwicklung neuer oder verbesserter Materialien über die Batteriezelldesigns und -fertigung bis zum Recycling von Energiespeichern. Am MEET verfolgen wir eine ganzheitliche, systemische Forschung zur Entwicklung von elektrochemischen Energiespeichern und -wandlern bis zum Zell-Level. Dieser Prozess umfasst auch die vielfältigen Aspekte der Anwendung, inklusive Wirtschaftlichkeit, Umwelteinfluss und gesellschaftliche Auswirkungen.
Huijben: Unser Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung von fortschrittlichen Materialien und chemischen Verfahren für Batterien der ,nächsten Generation'. Durch die technische Fakultät und das Fraunhofer-Projektzentrum legen wir an der Universität Twente einen starken Fokus auf die fortschrittliche Fertigung. Sowohl das MEET als auch das Fraunhofer-Projektzentrum sind Partner der neuen Forschungsfertigung Batteriezelle der Fraunhofer Gesellschaft. Wir ergänzen uns perfekt.
Wie klappt die Zusammenarbeit auf Distanz?
Winter: Sowohl in Münster als auch in Twente legen wir viel Wert auf interdisziplinäre Kooperationen. Das ist eine Voraussetzung für den gemeinsamen Erfolg. In Münster ist das große Netzwerk von rund 300 Batterieforschern vor Ort prägend. Neben dem MEET gehören das Helmholtz-Institut Münster, eine Außenstelle des Forschungszentrums Jülich, der Fachbereich Chemie und Pharmazie der WWU - einer der größten seiner Art in Deutschland - und die Forschungsfertigung Batteriezelle dazu.
Huijben: Aktuell arbeiten wir zum Beispiel gemeinsam an der Herstellung und Untersuchung moderner Beschichtungen zur Verbesserung der Stabilität von Anoden in Batterien. Dazu haben wir Materialien spezifisch für dieses Projekt entwickelt und zwischen beiden Labors ausgetauscht und umfassende Analyseexperimente durchgeführt. Kürzlich ist zudem ein neues Forschungsprojekt zum Thema Festkörperelektrolyten gestartet. Dabei untersuchen wir die elektrochemische Leistung von hoch geordneten Dünnschichtmodellsystemen. Wir erhoffen uns davon grundlegende Erkenntnisse zu Ansätzen, wie man die Engpässe bei der Realisierung praktischer Festkörperbatteriegeräte Überwinden kann. Diese gemeinsame Anstrengung ist einzigartig und nur durch die Kombination von Fachwissen über Festkörperelektrolyte an der WWU und atomar kontrollierter Dünnschichtsynthese an der UT möglich.
Welche Projekte haben Sie gemeinsam verfolgt?
Huijben: Nach mehreren wissenschaftlichen Gesprächen und wechselseitig eingeladenen Vorträgen, war ein finanzieller Zuschuss der WWU und der UT zu einem gemeinsamen Kooperationsprojekt mit dem Forschungsthema ,Nanostrukturierte Schnittstellen für Batterien der nächsten Generation' in 2018 der Startschuss für den Beginn einer Zusammenarbeit. Dies basiert auf den Stärken des MEET im Bereich der Batterietechnologie und des MESA+-Instituts an der Uni Twente in der Nanotechnologie. Das ergibt einzigartige Forschungsmöglichkeiten, und das ist entscheidend für zukünftige Durchbrüche bei der Realisierung verbesserter Energiespeicher.
Winter: Darüber hinaus existiert mit dem Vorhaben ,BatteryNL - Next Generation Batteries based on Understanding Materials Interfaces', koordiniert von der TU Delft, ein mehrjähriges Projekt, an dem sowohl das MEET als auch die UT beteiligt sind.
Die Wissenschaftler pflegen somit einen engen Austausch - aber profitieren auch Studierende von der Zusammenarbeit?
Huijben: Natürlich. Studierende können in Austauschprogrammen an beiden Universitäten Kurse zur Batterietechnologie belegen. An beiden Standorten bieten wir ein breites Spektrum an Lehrveranstaltungen an, die in direktem Zusammenhang mit der Batterietechnologie stehen, beispielweise Materialwissenschaft und -technik, Chemie, Nanotechnologie und moderne Fertigung. Nach ihrem Masteroder PhD-Abschluss im Partnerinstitut können die Absolventen an dem jeweils anderen Institut weiterarbeiten. So hat beispielsweise ein ehemaliger Doktorand aus meiner Forschungsgruppe seine akademische Laufbahn in der Arbeitsgruppe von Wolfgang Zeier an der WWU fortgesetzt.
Winter: Wir integrieren Studierende generell durch Forschungspraktika, Bachelorund Masteroder Doktorarbeiten in unsere Projektund Forschungsarbeit. Sie arbeiten mit Experten und wissenschaftlichen Nachwuchskräften an aktuellen Themen der Batterieforschung. Ich freue mich darauf, zukünftig Studierende der Universität Twente in unseren Laboren begrüßen zu dürfen oder Studierenden der WWU einen Aufenthalt in den Niederlanden zu ermöglichen.
Was ist für die Zukunft geplant?
Huijben: Wir sind aktuell mit dem Aufbau eines langfristigen, länderübergreifenden Batterieforschungsprogramms zwischen WWU und UT beschäftigt. Diese bilaterale Zusammenarbeit wird eine Anschubfinanzierung erfordern, die sich von den üblichen Finanzierungsmöglichkeiten in Deutschland, den Niederlanden und Europa unterscheidet. Uns trennen nur knapp 70 Kilometer, das ist ein strategischer Vorteil für unsere Kooperation. Wir konzipieren beispielsweise derzeit ein Tandemprogramm für Studierende und Wissenschaftler. Gemeinsam möchten wir zur länderübergreifenden Qualifizierung von Batterie-Experten beitragen und lokale sowie regionale Energieund Klimapläne unterstützen. Für regionale und Überregionale Industrie und Wissenschaft und für internationale Akteure möchten wir attraktive Ansprechpartner der deutsch-niederländischen Batterieforschung sein.
’Die Batterieforschung stoppt nicht an Ländergrenzen’: Martin Winter und Mark Huijben über die Zusammenarbeit der Universitäten Münster und Twente
- EN- DE
Anzeige