Asmaa El Maaroufi forscht zur Tier- und Umweltethik im Islam - ein Porträt

Nachhaltigkeit mit Gottes Segen

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Ist ein Menschenleben mehr wert als das eines Tieres? Um sich wissenschaftlich mit dieser Frage auseinanderzusetzen, entschied sich Asmaa El Maaroufi gegen das Referendariat und für eine Karriere an der Universität. © Uni MS - Peter Leßmann
Eigentlich wollte Asmaa El Maaroufi einen ganz anderen Lebensweg einschlagen - sie hatte den Wunsch, Lehrerin zu werden. In ihrer Schulzeit hatten es ihr vor allem die Philosophie und Ethik angetan. -Ich habe gerne Fragen gestellt über das Leben, deswegen wurde ich schon als Kind immer als kleine Philosophin bezeichnet-, blickt die Wissenschaftlerin zurück. Dazu passend entschied sie sich für ein Lehramtsstudium in Darmstadt mit den Fächern Philosophie und Ethik, Germanistik und Geschichte.

Zur gleichen Zeit entstand an der Universität Frankfurt der erste Studiengang für islamische Theologie. -Das hat sofort mein Interesse geweckt, weil ich mich dort wissenschaftlich mit meiner eigenen Religiosität beschäftigen konnte-, erklärt Asmaa El Maaroufi. Sie begann ein Doppelstudium. Nach Ende ihres Studiums und kurz bevor sie ihr Referendariat an der Schule beginnen sollte, passierte etwas in ihrem Leben, was für ihre weitere Karriere von entscheidender Bedeutung sein sollte - bei einem Unfall wurde ihr Kater angefahren. -Er konnte gerettet werden-, erinnert sie sich, -doch die Kosten für den Tierarzt waren sehr hoch.- Der Unfall ereignete sich 2011 - das Jahr, in dem der Bürgerkrieg in Syrien begann. -Für die Tierarztkosten musste ich mir mehrere tausend Euro von Freunden und meiner Familie leihen. Das hat für massive Diskussionen angesichts der Kriegsund der Hungersnöte gesorgt.-

Alle Debatten drehten sich letztendlich um eine einzige Frage: Ist ein Menschenleben mehr wert als das eines Tieres? Asmaa El Maaroufi erzählte einem Professor an der Universität Frankfurt von den Diskussionen in ihrem Umfeld und den oft vom Glauben geprägten Argumenten ihrer Freunde und Familie. Im Gespräch wies ihr Professor sie darauf hin, dass es an dieser Stelle eine Forschungslücke gibt - und zwar zu der Frage, inwieweit der Islam Bezug auf Tierrechte nimmt. Asmaa El Maaroufi beschloss, diese Lücke mit einer Promotion zu schließen.

-Tiere sind uns näher, als viele Menschen vermuten-, betont sie. -Unsere ethische Verantwortung beschränkt sich nicht nur auf die menschliche Spezies, sondern auch auf Tiere.- Das Thema der Tierethik im Islam beschäftigt sie noch immer in ihrer Forschung. Gerade in den monotheistischen Religionen werde das Töten von Tieren oft unkritisch akzeptiert. -Oft finden sich sehr anthropozentrische oder sogar androzentrische Perspektiven in den Religionen, also Perspektiven, in denen die Interessen und Perspektiven des Menschen dominieren.- Dabei gebe es in der islamischen Geistesgeschichte auch Traditionen, die eine gegenteilige Sichtweise bieten - Perspektiven des friedvollen Miteinanders von Menschen und Tieren.

An der Universität Münster lehrt und forscht die Mutter zweier Kinder seit 2014. Aufmerksam wurde die Theologin und Philosophin auf Münster, weil es zu diesem Zeitpunkt der einzige Standort in Deutschland war, der einen Arbeitsbereich zur islamischen Philosophie unter Leitung von Milad Karimi bot. -Eigentlich wollte ich in Münster nur meine Promotion beenden. Doch ich habe schnell gemerkt, dass ich die Kombination aus Lehre auf der einen Seite und der Forschung auf der anderen Seite nicht mehr missen möchte.-

Seit 2022 ist die 34-Jährige Juniorprofessorin am Zentrum für islamische Theologie. Ihre Forschungsinteressen beschränken sich schon lange nicht mehr nur auf Tierethik. -Mich interessiert auch, welche philosophisch-ethischen Perspektiven der Islam hinsichtlich aktueller Diskurse bietet - beispielsweise den Klimawandel.- Dabei gehe es nicht nur darum, theologische Perspektiven auf Krisen zu erarbeiten, sondern auch möglichst viele Perspektiven sichtbar zu machen.

Neue Perspektiven aufzeigen - dieses Ziel hat sich Asmaa El Maaroufi auch für die Lehre gesetzt. -Meine Studierenden sollen auch mit Stimmen in Berührung kommen, die im europäischen Bewusstsein nicht vorhanden sind. Ich habe in meinem Studium Heidegger, Hegel und Kant gelesen - also ausschließlich Mitteleuropäer. Ich möchte, dass auch weitere Perspektiven, beispielsweise aus Afrika oder dem Nahen Osten, gehört werden.-

Autorin: Sophie Pieper

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen