Histopathologische Biomarker für Nanomedizin basierte Krebstherapie

- EN- DE
Forschende des Instituts für Experimentelle Molekulare Bildgebung der RWTH Aachen veröffentlichen Ergebnisse zur Identifizierung geeigneter Tumorpatientinnen und -patienten in klinischen Studien für nanopartikel-basierte Krebstherapien.

Nanomedizinische Formulierungen haben seit der Entwicklung der Corona-Impfstoffe verstärkt die Aufmerksamkeit der öffentlichkeit auf sich gezogen. Diese Formulierungen nutzen verschiedenste Wirkstoffträger im Größenbereich von 10 bis 1000 Nanometer, um empfindliche Moleküle wie mRNA sicher in ihre Zielregion zu transportieren. Über die Jahre wurden bereits Wirkstoffträger entwickelt, um chemotherapeutische Arzneimittel gezielter und nebenwirkungsärmer in Tumore zu transportieren. Bisher fehlte jedoch eine Methode, um in klinischen Studien sicherzustellen, dass vor allem Tumore behandelt werden, die eine ausreichende Anreicherung von Wirkstoffträgern vorweisen. Forschende des Instituts für Molekulare Bildgebung der RWTH Aachen um Jan-Niklas May und Twan Lammers haben in enger Kooperation mit AstraZeneca ein einfach umsetzbares Verfahren zur Vorhersage der Tumor-akkumulation von nanomedizinischen Wirkstoffträgern entwickelt. Die Forschenden veröffentlichten ihre Ereignisse nun in der international renommierten Zeitschrift Nature Biomedical Engineering.

Seit den 1980er Jahren ist bekannt, dass sich nanomedizinische Wirkstoffträger in Tumoren anreichern. Anfangs vermutete man eine von Paul Ehrlich als ,,Zauberkugel" (magic bullet) bezeichnete Wunderwaffe zur Krebstherapie entdeckt zu haben. Knapp 40 Jahre später lässt sich allerdings festhalten, dass von den zahlreichen Ansätzen nur wenige erfolgreich in die Klinik gebracht werden konnten. Dafür gibt es verschiedene Erklärungen: zum einen die generellen Schwierigkeiten in der Entwicklung neuer Therapeutika insbesondere hinsichtlich Wirksamkeit, Wirtschaftlichkeit und der Produktion, zum anderen die Verschiedenheit von Tumoren auch des vermeintlich gleichen Typus (zum Beispiel die verschiedenen Brustkrebstypen).

Während bei zielgerichteten Antikörpertherapien mit einer histopathologischen Voruntersuchung des Tumors sichergestellt wird, dass eine geeignete Therapie für den individuellen Tumor ausgewählt wird, werden bei Nanowirkstoffen meist keine Einoder Ausschlusskriterien angewendet. In einigen Studien wurden Bildgebungsverfahren mit Kontrastmitteln oder radioaktiv markierte Nanowirkstoffe genutzt, um die Anreicherung im Tumor vorherzusagen und mit einem Ansprechen auf die Therapie zu verknüpfen. Diese Verfahren sind zwar sehr spezifisch und genau, erfordern aber kostspielige Bildgebung und im Fall der radioaktiven Markierung die Verfügbarkeit nuklearmedizinischer Labore und Kliniken und haben sich daher noch nicht flächendeckend in klinischen Studien oder der klinischen Praxis durchgesetzt.

Hier setzten die Forschenden an und stellten die Hypothese auf, dass bestimmte Eigenschaften des Tumors eine Anreicherung nanomedizinischer Wirkstoffträger begünstigen und als histopathologische Biomarker genutzt werden können. In einem präklinischen Datensatz wurden verschiedene potentielle Biomarker des Tumormikromilieus wie z.B. Makrophagen, Kollagene, Blutgefäße und die Reife der Blutgefäße untersucht, und getestet, ob ein Zusammenhang zwischen dem Biomarkervorkommen und der Wirkstoffträgeranreicherung zu sehen ist.

Die Ergebnisse wurden mittels einer Methodik des Maschinellen Lernens weiter ausgewertet, sodass ein vielversprechendes Duo an Biomarkern ermittelt werden konnte (Blutgefäße und Makrophagen). In enger Kooperation mit Forschenden von AstraZeneca wurden die Biomarker in dreizehn weiteren Tumormodellen geprüft. Dabei zeigte sich erneut, dass Modelle mit vielen Blutgefäßen und Makrophagen eine höhere Nanowirkstoffanreicherung aufweisen als Modelle mit weniger Blutgefäßen und Makrophagen. Abschließend wurden humane Tumorgewebe und Biopsien aus dem Archiv der Pathologie der Aachener Uniklinik untersucht, welches den Eigenschaften eines bereits publizierten Datensatzes entsprach, in dem in Patientinnen und Patienten die Anreicherung radioaktiv markierter Liposome im Tumor gemessen wurde. Durch die Quantifizierung von Makrophagen und Blutgefäßen als histopathologischer Biomarker ließen sich Tumoren mit geringerer Nanowirkstoffanreicherung von Tumoren mit höherer Nanowirkstoffanreicherung abgrenzen.

Da Biopsien routinemäßig zur Tumordiagnostik verwendet werden, sind sie für nahezu jeden Tumorpatienten verfügbar. Durch vergleichsweise kostengünstige histologische Färbungen ist somit ein einfaches Verfahren entwickelt worden, das basierend auf einer Vorhersage der Nanowirkstoffanreicherung eine Behandlung von Tumoren ermöglicht, die wahrscheinlich auf die Therapie ansprechen werden. Dadurch kann nicht nur den Patienten geholfen werden, sondern auch Forschenden hinsichtlich der effizienteren Translation neuer nanomedizinischer Formulierungen. Das bessere Verständnis der Anreicherung von Wirkstoffträgersystemen legt außerdem einen wichtigen Grundstein für die Weiterentwicklung von Biomaterialen im Rahmen der Exzellenzcluster-Initiative ,,TransMedMat".

Dieses Konsortium aus interdisziplinären Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern beschäftigt sich mit der Entwicklung, der Produktion sowie der Translation transformativer biomedizinischer Materialen. Diese sollen in der Lage sein, mit dem menschlichen Körper zu interagieren und sich eigenständig oder durch externe Trigger selber an biologische Schnittstellen anzupassen oder aber die biologischen Schnittstellen zu modulieren. Letztendlich wird auch die klinische Translation der in dem Exzellenzcluster entwickelten Nanowirkstoffen von der Verwendung spezifischer (histopathologischer) Biomarker zur Stratifizierung der Patientinnen und Patienten profitieren und personalisierte Therapieansätze ermöglichen.