
,,Uns interessierte vor allem, wie risikobereit die Individuen bei der Erkundung ihrer Umgebung sind", fasst Jana Eccard von der Universität Potsdam zusammen. ,,Wir hatten erwartet in den Randpopulationen besonders mutige Pioniere zu finden". Über 300 Rötelmäuse in sechs verschiedenen irischen Waldstücken haben die Forschenden mit einem Risikotest untersucht. ,,In Randpopulationen entlang der aktuellen Ausbreitungszone sind die Individuen aber deutlich risikoscheuer und weniger aktiv, im Vergleich zu Tieren aus Kernpopulationen", erklärt die Wissenschaftlerin. ,,Ein im Wald aufgebautes Testlabyrinth hingegen wurde in der Randpopulation ausführlicher untersucht als in den Kernpopulationen." Ausbreitung in unbekanntes Terrain mit unbekannten Fressfeinden und unbekannten Verstecken ist für Mäuse sehr gefährlich, so dass sich in der Randzone nur solche Tiere erfolgreich vermehren können, die besonders vorsichtig aber explorationsfreudig sind. Somit entsteht über viele Ausbreitungsgenerationen eine besonders vorsichtige Randpopulation. Wenn eine Population aber einmal etabliert ist, führen wiederum andere Eigenschaften wie Konkurrenzfähigkeit zum Erfolg, so dass nach einigen Generationen der Mut und die Aktivität wieder zunehmen.
Die räumliche Struktur von sich ausbreitenden Populationen lassen sich auf viele Ausbreitungsprozesse von Tieren Übertragen. Die Arbeiten der Forschenden zeigen, dass die Untersuchung individueller Unterschiede innerhalb einer Population zum Verständnis von ökologischen Prozessen wie biologischen Invasionen beitragen.
Abbildung : Rötelmäuse wurden 1920 von Mitteleuropa nach Irland eingeschleppt und breiten sich seither über die Insel aus. An mehreren Studienorten (schwarze Punkte) wurde das Verhalten von Tieren untersucht. Tiere der Ausbreitungszone (orange) sind vorsichtiger und weniger aktiv als Tiere in der etablierten Zone (grün), sie explorieren aber auch ausführlicher.
26-09-2023 / Nr. 097